Deutschland: Studie über Richterurteile zeigt große regionale Unterschiede

Ob ein Räuber in den Knast muss, hängt nicht nur von seiner Tat ab. Sondern auch davon, ob er etwa vor einem Nürnberger Richter steht – oder vor einem aus Bremen. Wurde der Täter in Nürnberg erwischt, bekommt er in 60 Prozent der Fälle eine Haftstrafe ohne Bewährung. In Bremen hingegen nur in 40 Prozent der Fälle. Vorstrafen und Schwere des Delikts sind bei dem Vergleich berücksichtigt.

Unterschiede in Strafzumessung signifikant 

Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wissenschaftlers Volker Grundies. Er forscht am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. In einer aktuellen Studie hat er herausgefunden, dass es für die Härte des Urteils eine Rolle spielt, in welcher Region das Gericht ist. Dazu analysierte er 1,5 Millionen Entscheidungen aller rund 800 deutschen Amts- und Landgerichte aus den Jahren 2004, 2007 und 2010.

Besonders hohe Strafen verhängten demnach Gerichte in Oberbayern und Südhessen, vergleichsweise Milde herrschte dagegen in Baden und Schleswig-Holstein. Die strengsten Richter sitzen im Landgerichtsbezirk München I, die mildesten im Freiburger Bezirk.

Den Rest des Beitrags lesen »

Krise des Rechtstaats: Nach Ungarn und Polen jetzt auch Rumänien

„Venedig-Kommission“ des Europarates  verreißt Justizreform

Das Fazit der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht zur Justizreform in Rumänien fällt verheerend aus: Der bereits in Kraft getretene Umbau des Justizsystems untergräbt laut der sogenannten Venedig-Kommission de facto dessen Unabhängigkeit, während die vom Parlament verabschiedete Strafrechtsnovelle die Bekämpfung der Korruption und des organisierten Verbrechens erheblich schwächt.

Dies teilte die Expertengruppe des Europarates letzten Freitag in einer Stellungnahme mit. Den rumänischen Behörden empfahlen die Gutachter daher eine Rücknahme der gesamten Novelle, insbesondere der mehr als 300 Strafrechtsänderungen, die nach „ausgiebiger Konsultation“ durch „solide und kohärente Legislativvorschläge“ ersetzt werden sollten.

Schutz für Opfer von Straftaten

 

Den Rest des Beitrags lesen »

VRV jetzt auch auf Twitter

Die Standesvertretung der Österreichischen  Verwaltungsrichterinnen und -richter ist nicht nur im Netzwerk auf verwaltungsrichter.at vertreten, sondern seit Kurzem auch auf Twitter. Unter „Verwaltungsrichter-Vereinigung“ (@VVereinigung) informieren wir schwerpunktmäßig über standespolitische Themen betreffend die besondere  Stellung der Verwaltungsgerichte, die richterliche Unabhängigkeit (independence and efficiency), Veranstaltungen und die Europäischen Entwicklungen in diesem Bereich.

Polen (2): EuGH stoppt Zwangspensionierung von Richtern

Das Gebäude des Obersten polnischen Gerichts in Warschau © Czarek Sokolowski/AP/dpa

Die Anordnung gilt rückwirkend, auch Nachbesetzungen dürfen nicht mehr erfolgen

Polen muss die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern mit sofortiger Wirkung stoppen. Eine entsprechende einstweilige Anordnung erließ der Europäische Gerichtshof (EuGH) vergangenen Freitag in Luxemburg. Die Anordnung gilt sogar rückwirkend für die bereits pensionierten Richter des polnischen obersten Gerichts.

Die einstweilige Anordnung war Anfang des Monats von der EU-Kommission in Brüssel beantragt worden. Die für die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Recht zuständige Behörde ist der Ansicht, dass mit den Zwangspensionierungen gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen wird. Es werde insbesondere auch das Prinzip der Unabsetzbarkeit von Richtern untergraben, heißt es in Brüssel.

Den Rest des Beitrags lesen »

Polen (1): Präsident ignoriert Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts

 

Der Oberste Gerichtshof in Warschau © Kacper Pempel/Reuters

Trotz einer Klage der Europäischen Kommission wurden an Polens Oberstem Gericht Richterstellen neu besetzt.

Präsident Andrzej Duda ernannte 27 weitere Richter. Das Präsidialamt in Warschau erklärte, die Ernennungen seien im öffentlichen Interesse und stünden im Einklang mit der Verfassung. Kritiker werfen Duda vor, vollendete Tatsachen zu schaffen und so die Unterordnung der Justiz unter die politische Führung voranzutreiben.

Der Präsident setzte sich damit über eine Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts hinweg, das sich dafür ausgesprochen hatte, vor der Vereidigung neuer Richter zunächst eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten.

Die regierende nationalkonservative PiS-Partei hatte die Justizreform mit der Begründung angestoßen, Richter aus der kommunistischen Ära müssten ersetzt werden. Viele der Richter am Verfassungsgericht wurden gezwungen, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, halten dies aber für verfassungswidrig. Unterstützt von der Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts setzte die Behörde die Nominierung neuer Richter bis zu einer Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs aus.

Den Rest des Beitrags lesen »

Polen und der Rechtsstaat: Aufsässigen Richtern das Fürchten lehren

In einem Beitrag in der deutschen Tageszeitung „DIE WELT“ beschreibt der Journalist  Bartosz T. Wielinski, Leiter des Auslandsressorts der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza,“ die Situation der polnischen Richter: Ziel der Regierungspartei sei es, Richter austauschen und ihrem politischen Einfluss unterstellen. Ein bewährtes Mittel dazu sei deren persönliche Diffamierung. Medienberichte, die beweisen sollen, dass richterliche Urteile von durch und durch korrupten Menschen gefällt werden, gebe es praktisch ununterbrochen seit 2016.

Richter als Vaterlandsverräter

Letzte Woche habe der Parteivorsitzende Kaczynski einen neuen Begriff geprägt. Auf dem Parteikonvent habe er den Gegnern seiner Partei und Regierung „Oikophobie“ vorgeworfen – Hass auf das Eigene. Dieses Mal sei der Vorwurf nicht an die Adresse von Oppositionspolitikern oder kritischen Intellektuellen gegangen, Kaczynski habe diesen Begriff in Bezug auf polnische Richter verwendet. Laut Kaczynski sei das die Krankheit, unter der die polnischen Richter leiden.

Den Rest des Beitrags lesen »

CCJE Opinions (4): Die Bewertung der Arbeit von Richtern

In der Stellungnahme Nr. 17 (2014) beschäftigt sich der Beirat der europäischen Richter (CCJE) mit dem Spannungsfeld zwischen einer adäquaten Beurteilung von Richtern und deren Unabhängigkeit.  

Als  Grundregel gilt bei jeder individuellen  Beurteilung von Richtern die umfassende Achtung der richterlichen Unabhängigkeit. Wirkt sich eine individuelle Beurteilung auf die Beförderung, das Gehalt oder den Ruhestand des Richters aus oder  führt  sie gar  zu seiner Amtsenthebung,  besteht die Gefahr, dass der beurteilte Richter nicht auf der Grundlage einer objektiven Auslegung des Sachverhalts und des Rechts Recht spricht, sondern in einer Weise vorgeht, um den Beurteilern zu gefallen. Somit ist die Beurteilung von Richtern durch Angehörige der Legislative oder Exekutive  des  Staates besonders  problematisch.

Qualität vor Quantität

Aber selbst wenn die Beurteilung  von anderen Richtern vorgenommen wird, kann die Gefährdung  der  richterlichen Unabhängigkeit  nicht  gänzlich von  der Hand  gewiesen werden. Die Unabhängigkeit setzt nicht nur voraus, vor ungebührlichem Einfluss von außen geschützt zu sein,  sondern auch vor ungebührlichem Einfluss, der sich in bestimmten Situationen aus der Haltung anderer Richter ergeben kann, einschließlich der Präsidenten von Gerichten.

Der CCJE warnt ausdrücklich davor, die Beurteilungsergebnisse nur in Form von Punkten, Zahlen, Prozenten oder der Anzahl an ergangenen Entscheidungen auszudrücken. All diese Methoden können einen falschen Eindruck von Objektivität und Sicherheit entstehen lassen, wenn sie ohne weitere Erläuterung und Beurteilung angewandt werden.

Hier die Empfehlungen zur Bewertung der Arbeit von Richter (auszugsweise):

Den Rest des Beitrags lesen »

VwG Wien: Das unsichtbare Gericht

„Justice Must Not Only be Done, but Must be Seen to be Done“

Das Ministerkomitees des Europarates, genauer gesagt die „ Europäische Kommission für Effektivität in der Justiz“ (CEPEJ), hat in einer Arbeitsgruppe Leitlinien für die innere und äußere Ausgestaltung von Gerichten entwickelt und diese mit Interviews von Praktikern sowie mit Gestaltungsbeispielen illustriert.

Die Leitlinien betonen, dass die Architektur des Gebäudes auf die besondere Konflikt- und Stresssituation der Parteien vor Gericht Rücksicht nehmen sollte, die durch die Konfrontation der Parteien vor Gericht oder eine richterliche Entscheidung hervorgerufen werden kann (siehe dazu: Was bei der Architektur von Gerichtsgebäuden bedacht werden sollte – Leitlinien des Europarates).

Dies alles scheint nach Auffassung des Magistrats der Stadt Wien für das Wiener Verwaltungsgericht nicht zu gelten.

Den Rest des Beitrags lesen »

Entschließungsantrag zur „Verbesserung der Unabhängigkeit, Qualität und Transparenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ eingebracht

Letzte Woche wurden von den Abgeordneten der „Neos“ im Parlament ein Entschließungsantrag eingebracht, welcher auf die aktuellen Diskussionen über Richterbesetzungen Bezug nimmt, aber auch auf Mängel und Verbesserungspotentiale hinweist, die sich in den vergangenen Jahren  herauskristallisiert haben.

Aus rechtsstaatlicher Sicht ist nach Auffassung der Abgeordneten eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen nötig, um die Unabhängigkeit, Professionalität und Transparenz der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewährleisten.

Umsetzung der „GRECO“-Maßnahmen gefordert

Die wichtigsten Schritte wären die Einführung eines spezifischen Ausbildungslehrganges für Richter_innen der Verwaltungsgerichte, die Stärkung der Personalsenate bzw. Personalausschüsse bei deren Auswahl, sowie die Transparenz der Auswahlentscheidung. Der Evaluierungsbericht der Group Of States Against Corruption (GRECO) des Europarates betone die Notwendigkeit dieser Maßnahmen ausdrücklich. (Siehe dazu: „Greco“ fordert für Verwaltungsrichter einheitliches Dienstrecht und verbindliche Besetzungsvorschläge)

 

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Angleichung der Auswahl, Ausbildung und Dienstvoraussetzungen von Verwaltungsrichter_innen an jene der ordentlichen Richter_innen vorsieht, sowie Vereinheitlichungen im Dienstrecht der Landesverwaltungsrichter_innen und die Einführung eines transparenten Auswahlprozesses enthält.

Der Gesetzesentwurf soll dabei u.a. folgende Punkte beinhalten:

Den Rest des Beitrags lesen »

Justiz und Demokratie: Rechtsstaat unter Druck

Kölner Silvesternacht, Asylverfahren, Dieselskandal: Nicht nur in Polen und Ungarn, auch in Deutschland wachsen Zweifel an der Bedeutung des Rechts und der Rolle der Justiz in modernen Demokratien. Was ist zu tun?

Von Andreas Voßkuhle

(Dieser Text ist eine gekürzte und leicht bearbeitete Fassung des Vortrags, den Bundesverfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle unter dem Titel „Rechtsstaat und Demokratie“ zur Eröffnung des Juristentages in Leipzig gehalten hat.)

Der demokratische Rechtsstaat ist uns sehr vertraut, er ist aber nicht selbstverständlich. Rechtsstaat und Demokratie haben sich in Deutschland vielmehr ungleichzeitig entwickelt und stehen seit je in einem wechselhaften Spannungs- und Ergänzungsverhältnis. Beide Prinzipien finden aber zusammen im Dienste der Freiheitsidee. Die Demokratie sichert die Selbstbestimmung des Volkes, indem sie die Bildung, Legitimation und Kontrolle derjenigen Organe organisiert, die staatliche Herrschaftsgewalt gegenüber dem Bürger ausüben. Der Rechtsstaat beantwortet hingegen die Fragen nach Inhalt, Umfang und Verfahrensweise staatlicher Tätigkeit. Er zielt auf Begrenzung und Bindung staatlicher Herrschaftsgewalt im Interesse der Sicherung individueller Freiheit – insbesondere durch die Anerkennung der Grundrechte, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Individualrechtsschutzes durch unabhängige Gerichte.

Das Wort Demokratie ist erst aufgrund der Einschränkung des Mehrheitsprinzips durch Gewaltenteilung und mehrheitenfeste Grundrechte, also durch Machtkontrolle, geadelt worden

Den Rest des Beitrags lesen »