Luxemburger Verwaltungsgerichte: Rechtsschutz ohne Sprachbarriere

Bericht von einer Studienreise (1)

Der schmucklose 70er Jahre-Bau, in dem die beiden Verwaltungsgerichte des Großherzogtums untergebracht sind, war damals eines der ersten Gebäude auf dem Kirchberg. Heute ist es neben den drei neuen Türmen des EuGH und den anderen Gebäuden europäischer Institutionen in der neu geschaffenen Stahl-Glas-und Asphaltwüste des heutigen Kirchberges fast zu übersehen.

Frankreich als Vorbild

Notwendig geworden war die Einrichtung von Verwaltungsgerichten in Luxemburg im Jahr 1997, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) die Doppelfunktion des nach französischem Vorbild eingerichteten Staatsrats als Beratungsorgan der Regierung und als Verwaltungsgericht als unzulässig erklärt hatte (Urteil“ Procola“).

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EuGH bestätigt die Bedenken des LVwG Steiermark hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen bei Arbeitskräfteüberlassung

Das LVwG Steiermark hegte berechtigte Zweifel an der Vereinbarkeit der Strafbestimmungen des AVRAG im Zusammenhang mit der Arbeitskräftüberlassung, entschied der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren.

Auch wenn den Gerichten ein gewisser Ermessensspielraum bei der Strafbemessung eingeräumt wird, wird dieser jedoch durch das Zusammenspiel von Kumulationsprinzip, strafsatzändernden Umständen und hohen Mindeststrafen so stark eingeschränkt, dass sich selbst bei Verhängung der niedrigsten möglichen Strafe eine sehr hohe Gesamtstrafe ergibt. Dies ist mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen nicht vereinbar.

Weiters wollte das vorlegende Gericht wissen, ob die Möglichkeit der Verhängung einer mehrjährigen Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe für ein fahrlässig begangenes Verwaltungsdelikt mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht. Schließlich wurde auch der Beschwerdekostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe für den Fall der Abweisung der Beschwerde gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG in Frage gestellt. Auch diese Bedenken teilt der Gerichtshof.

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Verkehrsrecht: Deutsche Gerichte bezweifeln Beweiskraft von Geschwindigkeitsmessungen

Logo-der_spiegel.svgSeit Einführung von mobilen Lasergeräten zur Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr wird in Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten immer wieder bemängelt, dass eine nachträgliche Überprüfung der Messerergebnisse technisch nicht möglich ist. Der Verwaltungsgerichtshof in Österreich hat dieses Vorbringen bis dato nicht aufgegriffen.

Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip?

In Deutschland sorgt jetzt eine Entscheidung des Landesverfassungsgericht des Saarlandes für Aussehen: Demnach sind Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr nur dann gerichtlich verwertbar, wenn die eingesetzten Messgeräte die sogenannten Rohmessdaten abspeichern und sich damit das Ergebnis überprüfen lässt. Das ist aber offenbar bei einem Großteil der eingesetzten „Blitzer“, vor allem bei modernen Lasergeräten, nicht der Fall.

Nach einem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten verstößt beim Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung die fehlende Prüfmöglichkeit „gegen das Rechtsstaatsprinzip“. Auch andere Gerichte habe nach Medienberichten das Ergebnis der Messung in diesen Fällen als „unverwertbar“ erklärt und die Verfahren eingestellt.

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Dachverband (DVVR) fordert Neufassung der Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen (einschließlich Finanzstrafsachen)

Mit der aktuellen Novelle zum VStG und VwGVG (BMVRDJ-601.468/0005-V 1 2019) sollen die Richtlinie 2016/800/EU über Verfahrensgarantien in Strafsachen für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, sowie die Richtlinie 2016/1919/EU über Prozesskostenhilfe für verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls umgesetzt werden.

In seiner Stellungnahme stellt der Dachverband dazu fest, die Novelle sollte zum Anlass genommen werden, die Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen (einschließlich Finanzstrafsachen) neu zu fassen, da eine Versagung von Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen (einschließlich Finanzstrafsachen) wegen Mutwillens oder offenbarer Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, weder mit Art 6 Abs. 3 EMRK noch Art. 47 und Art. 48 Abs. 2 EU-GRC (Art. 52 Abs. 3 EU-GRC) im Einklang stehe.

Schließlich bedauert der Dachverband der Verwaltungsrichter, dass die Novelle nicht zum Anlass genommen wurde, umfangreichere Änderungen des Verfahrensrechts, wie sie der Dachverband bereits vor bald zwei Jahren in seinem Forderungspapier (AGENDA VG 2022) für die noch laufende Legislaturperiode aufgelistet hatte, in Angriff zu nehmen.

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LVwG Burgenland: Gesetzesnovelle zur Präsidentenauswahl ignoriert europäische Standards

Nachdem die Kür der Büroleiterin von Ex-Landeshauptmann Niessl zur Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts Burgenland gescheitert war, wird jetzt mit einem neuen Gesetz ein neuer Anlauf unternommen. Die Gelegenheit, mit dieser Gesetzesnovelle die Ernennungsvoraussetzungen und das Bestellungsverfahren den europäischen Standards anzupassen, wurde nicht genützt.

Weiter politische Ernennung von „Nicht-Richtern“ zu Gerichtspräsidenten möglich

Das „Consultative Council of European Judges“ des Europarates hat in seiner Stellungnahme vom 29. März 2019 Feststellungen getroffen, die für alle Verwaltungsgerichte in Österreich von Bedeutung sind. Das Expertengremium vermisst eine saubere Trennung zwischen der Landesregierung und dem Gericht, das die Rechtmäßigkeit der Verwaltung kontrollieren soll, und kritisierte, dass der Präsident im freien Ermessen und ohne richterliche Mitwirkungsmöglichkeit von der Landesregierung bestellt wird.

Als wichtig für die Unabhängigkeit der Gerichte wird angesehen, dass die Richter unabhängig von der Exekutive und der Legislative vorzugsweise von einem Justizrat bestellt werden. Gerügt wird auch der Umstand, dass der Präsident nicht auf dieselbe Weise bestellt wird wie die Mitglieder des Gerichtes, zu deren Ernennung bereits bestellte Richter Vorschläge erstatten. Auch wäre es nach Ansicht des Expertenrats von Vorteil, wenn der Präsident bereits vor seiner Bestellung Rechtsprechungserfahrung gesammelt hat.

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Treffen des DVVR mit Vizekanzler und Justizminister Jabloner

Am 12. August fand ein Treffen von Vertretern des Dachverbands der Verwaltungsrichter (DVVR) sowie der Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung (AEAJ) mit Hrn. Vizekanzler und Justizminister (BMVRDJ) Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner statt, bei dem die Forderungen und Anliegen der Standesvertretungen der VerwaltungsrichterInnen vorgetragen wurden.

Der Vizekanzler kündigte an, einen Wahrnehmungsbericht über die Justiz verfassen zu wollen, in den auch Anliegen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Eingang finden sollen.

Er stimmte dem von Markus Thoma (Vereinigung der Richterinnen und Richter des VwGH) eingangs hervorgehobenen Ziel eines einheitlichen Richterbildes und einer Vertiefung der gemeinsamen Aus- und Fortbildung von Justiz- und Verwaltungsrichtern zu, um die wechselseitige Durchlässigkeit zu erhöhen.

Im Hinblick auf die prekäre Belastungs- und Planstellensituation am Bundesverwaltungsgericht befürwortete der Vizekanzler von Michael Fuchs-Robetin vom Verein der Richter/innen des Bundesverwaltungsgerichtes geforderte Sofortmaßnahmen noch in dieser Legislaturperiode.

Sigrid Lammer von der Verwaltungsrichter-Vereinigung verwies auf den aktuellen GRECO-Bericht aus Dezember 2018 und das Gutachten des CCJE vom 29. März 2019 zur Situation am Verwaltungsgericht Wien, die ihrer Ansicht nach aufzeigen, dass Handlungsbedarf zur besseren Absicherung der Unabhängigkeit aller Verwaltungsgerichte bestehe.

Der Vizekanzler teilte die Einschätzung von Unzulänglichkeiten zu einzelnen Besetzungsverfahren.

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Deutschland: Fahrverbote sollen mit Zwangshaft gegen Politiker durchgesetzt werden

Im Streit über Fahrverbote hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen Antrag auf Zwangshaft gegen Mitglieder der baden-württembergischen Landesregierung gestellt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart bestätigte den Eingang des Antrags.

Gerichtsurteile nicht umgesetzt

Die Organisation fordert demnach bis zu sechs Monate Gefängnis für einzelne Politiker – sollte das vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom Juli 2017 nicht umgesetzt werden. Ihm zufolge muss der Stuttgarter Luftreinhalteplan auch Fahrverbotszonen für Euro-5-Diesel in der bereits existierenden Umweltzone enthalten. Bislang ist dies nicht vorgesehen.

Auch bayerischen Politikern droht Zwangshaft

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„GRECO“ sieht nur sehr geringe Fortschritte im österreichischen Justizsystem

Das Risiko politischer Einmischung bleibt eine Realität in Österreich

Die Antikorruptionsbehörde des Europarats (GRECO) äußerte sich heute in einer Presseaussendung enttäuscht über die sehr geringen Fortschritte, die Österreich bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Korruptionsprävention in Bezug auf Parlamentarier erzielt hat, und appellierte an das österreichische Parlament, seine Bemühungen zur Bekämpfung der Korruption zu verstärken.

Nur eine von 19 Empfehlungen umgesetzt

In dem Bericht zur Bewertung der Fortschritte Österreichs bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Verhinderung von Korruption in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte kommt GRECO zu dem Schluss, dass Österreich nur eine von 19 Empfehlungen aus dem Evaluierungsbericht von 2016 vollständig befolgt hat. Fünf wurden teilweise umgesetzt und 13 noch nicht umgesetzt.

In Bezug auf Richter und Staatsanwälte begrüßt die GRECO, dass eine Reihe geplanter Reformen ihren wichtigsten Empfehlungen Rechnung tragen wird. Die einzige vollständig umgesetzte Empfehlung ist derzeit die von österreichischen Behörden abgegebene Zusicherung in Bezug auf die Öffentlichkeit von Verfahren vor den Verwaltungsgerichten.

Empfehlung für verbindliche Besetzungsvorschläge der Personalsenate nicht umgesetzt

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Richter warnen vor Verfassungskrise in Ungarn

Internationale Juristendelegation sieht Machtkonzentration, Kanzlerin Bierlein glaubt nicht an Erfolg von EU-Verfahren.

Die Mission stand unter keinem guten Stern: „Eine Delegation, bezahlt von Soros, kommt und mischt sich in ungarische Angelegenheiten ein“, schrieben ungarische Medien, als sich Vertreter der internationalen Richtervereinigung Ende April auf „Fact Finding Mission“ machten.

Gerhard Reissner, früherer Präsident der Organisation mit Mitgliedern aus 90 Ländern weltweit, präsentierte am Montag beim Vortrag „Europa und der Rechtsstaat“ im Justizpalast die Ergebnisse. Halb im Scherz schickte er dabei voraus: „Wir haben mit Soros nichts zu tun.“

Wovor hat Ungarns Premier Viktor Orbán Angst, dass er seinen Erzfeind George Soros (US-Milliardär und Philantrop ungarischer Herkunft) ins Spiel bringt, um die Aufklärer schon im Vorfeld zu diskreditieren? Eine Frage, die Reissner und zwei seiner Kollegen bei ihrer Mission in Budapest begleitete. Einige Richter und Justizvertreter, die ihnen Auskunft gaben, ließen im Nachhinein ihre Namen aus dem Bericht streichen – offenbar aus Angst vor Repressalien. Der Bericht zeige jedenfalls eine Machtkonzentration auf, die den Rechtsstaat zunehmend aushöhlt, warnt Reissner. Er sieht Ungarn nahe an der Verfassungskrise.

VfGH/Judikatur: Bundesverwaltungsgericht kann für Disziplinarverfahren anderer Gerichte zuständig gemacht werden

Im Zuge eines gegen einen Richter des Verwaltungsgerichts Wien (VGW) geführten Disziplinarverfahrens entstanden beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Bedenken gegen die Übertragung der Zuständigkeit für dieses Verfahren auf das BVwG. Die Zuständigkeitsübertragung war durch den Wiener Landesgesetzgeber erfolgt, weil die Regelung über den Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichts Wien als verfassungswidrig aufgehoben worden war (G 29/2018 vom 14. Juni 2018).

Das BVwG machte geltend, zuständig für dieses Disziplinarverfahren könne gem. Art. 135 Abs. l 4. Satz B-V nur ein aus der Mitte der Vollversammlung des VGW gebildeter Ausschuss oder Senat sein, nicht aber ein nach der Geschäftsverteilung des BVwG eingerichteter Senat. Darüber hinaus zweifelt das Gericht an der Verfassungskonformität der Regelung, mit der das BVwG mit der Behandlung eines Strafantrages der Disziplinaranwältin des Landes Wien betraut wurde. Dabei würde es sich um eine verfassungsrechtlich unzulässige Übertragung einer erstinstanzlichen Zuständigkeit in einer hoheitlichen Angelegenheit an ein Verwaltungsgericht handeln.

VfGH prüft auf Grundlage eines einheitlichen Richterbildes

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