Hat die Behörde in einem Mehrparteienverfahren mitbeteiligten Parteien die Akteneinsicht zu Unrecht gewährt oder verweigert, so ist dagegen (Verfahrensanordnung) eine gesonderte Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht möglich.
Eine allfällige Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 17 Abs. 3 AVG) kann nur im Wege einer Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht gegen die das Verfahren abschließende Sachentscheidung geltend gemacht werden.
Im Fall eines darauf gerichteten Feststellungsantrages hat das Verwaltungsgericht darüber gesondert zu entscheiden (VfGH vom 10.10.2019, E 1025/2018).
Subjektives Recht einer Verfahrenspartei auf Akteneinsicht
Dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs liegt ein Verfahren vor der Kommunikationsbehörde Austria zugrunde. In diesem Verfahren waren u.a. vom ORF einschlägige Unterlagen vorgelegt worden, welche (auch) Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse enthielten. Der ORF beantragte daher, diese von der Akteneinsicht auszunehmen.
Die Behörde hat aber sämtliche Akteninhalte – also auch diejenigen, auf die sich die Anträge auf Ausnahme von der Akteneinsicht bezogen – der jeweils anderen Verfahrenspartei von der Behörde zur Kenntnis gebracht. In ihrem Bescheid führte die Behörde dazu aus, den Anträgen der Verfahrensparteien, bestimmte Aktenteile von der Akteneinsicht auszunehmen bzw. der jeweils anderen Verfahrenspartei nicht zur Kenntnis zu bringen, sei nicht nachzukommen gewesen, weil diese Unterlagen für ihre Entscheidung von Bedeutung gewesen waren.
Der Verfassungsgerichtshof stellte dazu fest, zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt die Gewährleistung eines fairen Verfahrens mit entsprechenden Garantien, wie sie insbesondere in Art. 6 EMRK verankert sind. Unter Verweis auf seine Vorjudikatur erfließt nach Auffassung des Gerichtshofs aus Art. 6 EMRK ein auf den Grundsatz der Waffengleichheit gegründetes selbstständiges Recht auf Akteneinsicht.
Damit besteht im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens aus Sicht der Behörde die Pflicht, Akteneinsicht zu gewähren, bzw. aus Sicht einer Verfahrenspartei ein subjektives Recht darauf, Einsicht in Verfahrensakten zunehmen.
Transparente Entscheidung durch Abwägung zwischen Geheimhaltungsanspruch und Recht auf Akteneinsicht
In Mehrparteienverfahren können die Interessen von Verfahrensparteien auf Zugang zu verfahrensrelevanten Informationen mit den Interessen von anderen Verfahrensparteien auf Schutz vertraulicher Angaben und Geschäftsgeheimnisse in Konkurrenz treten. Weder das grundrechtlich durch Art. 6 EMRK im Rahmen des Prinzips der Waffengleichheit gewährleistete Recht auf Zugang zu Verfahrensakten noch das grundrechtlich insbesondere durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Geheimhaltung von Betriebs-und Geschäftsgeheimnissen vermögen eine absolut geschützte Rechtsposition zu begründen.
Vielmehr ist im Verwaltungsverfahren bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Zugangsrecht zu entscheidungsrelevanten Informationen gegen das Recht anderer Verfahrensparteien auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse abzuwägen. Der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen muss so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verfahrensrechte der am Verfahren Beteiligten im Einklang steht und dass sichergestellt ist, dass insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wird.
Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht haben dabei die ihrer Vorgangsweise zugrunde liegende Abwägung zwischen Geheimhaltungsanspruch und Recht auf Akteneinsicht und damit Transparenz der Entscheidungsgrundlage nachvollziehbar zu begründen, sodass die Verfahrensparteien diese zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle bzw. einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof machen können.
Entscheidungsbefugnis des Gerichts ist auf die Feststellung einer allfälligen Rechtsverletzung beschränkt
Die im vorliegenden Fall bereits erfolgte Offenlegung der einschlägigen Informationen kann durch eine den angefochtenen Bescheid aufhebende oder abändernde Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache freilich nicht mehr beseitigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich daher im fortgesetzten Verfahren – falls es eine einschlägige Rechtsverletzung gegenüber dem ORF für gegeben erachtet – auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung der beschwerdeführenden Partei in ihrem Recht aus § 17 Abs. 3 AVG stattgefunden hat.
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Siehe dazu auch: Zugang zur Behördeninformationen – Internationale Tagung am deutschen Bundesverwaltungsgericht