Einhaltung der Europäischen Standards bei der Besetzung für das Vertrauen in die Verwaltungsgerichtsbarkeit enorm wichtig

Über 14 Monate wurde das größte Gericht des Landes wegen eines türkis-grünen Postenstreits – wie immer wieder den diversen Medien zu entnehmen war – interimistisch geleitet. Jetzt hat es endlich eine Einigung gegeben, wobei nicht die Erstgereihte zum Zug kommen soll, sondern – ohne dass die Gründe dafür dargelegt werden – der Drittgereihte zur Ernennung durch den Bundespräsidenten vorgeschlagen werden soll.

Markus Thoma, Präsident des Dachverbandes der Verwaltungsrichter:innen, fordert in einem Interview in der ZIB 1 am 26.01.2024, die Gründe für die Entscheidung, den Drittgereihten zur Ernennung vorzuschlagen, offen zu legen. Wenn die Bundesregierung von der von einer Expertenkommission vorgenommenen Reihung abweichen möchte, so soll sie ihre Gründe bekannt geben. Der ursprüngliche Vorschlag der Besetzungskommission sei dem Vernehmen nach ausführlich begründet gewesen und habe explizit eine Reihung vorgesehen. „Ein Abgehen davon bedarf daher guter bzw. besserer Gründe, als sie die Kommission ins Treffen geführt hat. Sonst verbleibt der Anschein einer parteipolitischen Entscheidung.“ Auch die Öffentlichkeit habe ein legitimes Interesse daran, warum jemand mit einer derart wichtigen und herausgehobenen Aufgabe betraut werde.

Weiters verweist Markus Thoma in den Salzburger Nachrichten darauf, dass in einem nationalen Ernennungsverfahren den Bewerbern zwar keine Parteistellung zukomme, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber entschieden habe, dass ein begründungsloses Abgehen von einem begründeten Vorschlag ein fehlerhaftes Ernennungsverfahren zur Folge haben könne.

Man müsse auch für die Zukunft Voraussetzungen schaffen, die eine derart lange Blockade verhindert, so könne zB bei Untätigkeit der Regierung das Vorschlagsrecht jemand anderen übertragen werden.

Hintergrund dieser Forderung ist die Beachtung der europäischen Standards. Diese sehen einerseits vor, dass eine richterliche Kommission das Auswahlverfahren durchführt und andererseits, dass bei Ernennungsvorschlägen von einer vorgeschlagenen Reihung nur mit sachlicher Begründung abgewichen werden soll, um jeglichen Anschein einer politischen Einflussnahme auszuschließen. Beim Ernennungsverfahren des Präsidenten/der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes wurde dies zuletzt umgesetzt (vgl BGBl I 205/2022). Dabei wurde betont, dass dies im Interesse einer möglichst objektiven und transparenten Besetzung richterlicher Planstellen und zur Stärkung des Vertrauens der Bürger:innen in eine objektive, unabhängige und unbeeinflusste Rechtsprechung erforderlich ist.

Dieser Standard ist auch für die Verwaltungsgerichte einzufordern. Die Aufgabe der Verwaltungsgerichte liegt in der Kontrolle der Verwaltung und ist es daher umso wichtiger, dass jeglicher Anschein einer politischen Einflussnahme vermieden wird. Nur so kann das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz gestärkt werden.

Hier geht es zum Beitrag in den Salzburger Nachrichten

Siehe auch: Regierung einigt sich auf Filzwieser als Präsident des BVwG

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