
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) präzisiert in seinem Urteil vom 25.02.2025, C-146/23 und C-374/23, die Voraussetzungen, unter denen der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit es der Gesetzgebung und der Exekutive eines Mitgliedstaats erlaubt, zum einen die Bezüge der Richter festzusetzen und zum anderen von den nationalen Rechtsvorschriften, die die Modalitäten der Festsetzung der Bezüge der Richter objektiv festlegen, abzuweichen, zB durch Einfrieren oder Kürzen der Vergütung.
Auch wenn die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten in ihre Zuständigkeit fällt, sind diese gleichwohl verpflichtet, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit ihren Verpflichtungen aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 2 und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, nachzukommen und damit auch dann, wenn sie über die Verfahren zur Festsetzung der Besoldung der Richter entscheiden. Das Erfordernis der richterlichen Unabhängigkeit gehört zum Wesensgehalt des Grundrechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren. Die richterlichen Bezüge müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben sein, um eine immanente Garantie für die Unabhängigkeit der Richter darzustellen.
Der Gerichtshof führte zunächst unter Hinweis auf Vorjudikatur aus, dass der Begriff der Unabhängigkeit der Gerichte u. a. voraussetzt, dass diese ihre richterlichen Funktionen in völliger Autonomie ausüben, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten. Weiters müssen sie vor Interventionen und Druck von außen geschützt sein, die die richterliche Unabhängigkeit gefährden und richterliche Entscheidungen beeinflussen könnten. Neben der Nichtabsetzbarkeit der Mitglieder der betreffenden Einrichtung stellt auch eine der Bedeutung der von ihnen ausgeübten Funktionen entsprechende Vergütung eine wesentliche Garantie für die richterliche Unabhängigkeit dar.
Weiters betont der EuGH, dass insbesondere nach dem für einen Rechtsstaat kennzeichnenden Grundsatz der Gewaltenteilung die Unabhängigkeit der Gerichte gegenüber der Legislative und der Exekutive zu gewährleisten ist. Die bloße Tatsache, dass die Legislative und die Exekutive eines Mitgliedstaats in die Regelung der Bezüge von Richtern involviert sind, ist als solche noch nicht geeignet, eine Abhängigkeit der Richter von ihnen zu schaffen oder Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit der Richter zu wecken. Auch wenn ein weites Ermessen bei der Aufstellung des Staatshaushaltes die Festlegung der Gehaltsmodelle und insbesondere der Richtergehälter einschließt, dürfen gleichwohl die nationalen Vorschriften über die Richtergehälter bei den Bürgern keine berechtigten Zweifel daran aufkommen lassen, dass Richter nicht durch äußere Faktoren beeinflussbar und in Bezug auf die widerstreitenden Interessen neutral sind.
Eine (berufs-)angemessene Vergütung für Richter muss danach gesetzlich gewährleistet sein und objektiv, vorhersehbar, beständig und transparent sein, um jeden willkürlichen Eingriff der Legislative und der Exekutive auszuschließen und eine wesentliche Garantie für ihre Unabhängigkeit darzustellen. Die Bezüge müssen hoch genug sein, um den Richtern eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verschaffen, auch zum Schutz vor der Gefahr von Korruption. Außerdem ist die Angemessenheit der richterlichen Bezüge unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Situation im betreffenden Mitgliedstaat zu beurteilen. Aus diesem Blickwinkel ist es angebracht, die Durchschnittsbezüge von Richtern mit dem Durchschnittsgehalt im jeweiligen Staat zu vergleichen und in Relation zu Gehältern anderer Rechtsberufen zu sehen.
Zu den Bezügen von Richtern muss eine wirksamen gerichtlichen Kontrollmöglichkeit nach den im Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahrensmodalitäten gewährleistet sein.
Will ein Staat von bestehenden Gehaltsmodellen abweichen, so muss eine Gehaltsänderung gesetzlich geregelt sein, und müssen die Bezüge von Richtern objektiv, vorhersehbar und transparent sein. Die Gehaltsänderungen wie z.B. eine Kürzung muss durch eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung gerechtfertigt sein und darf – ohne sachlichen Grund – nicht bloß auf Richter abzielen; sie darf auch nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen. Die Höhe der Bezüge muss der Bedeutung der von Richtern ausgeübten Funktion auch bei einem Einsparungserfordernis entsprechen. Auch hier muss eine wirksame gerichtliche Kontrolle gegeben sein.