Markus Thoma, Sprecher des Dachverbands der Verwaltungsrichter:innen, zeigt in seinem Gastkommentar im Standard auf, dass der Verzicht auf Sideletter bei der Postenbesetzung bei Gericht längst nicht alle offenen Fragen löse. Er repliziert dabei auf die Aussage des Bundeskanzlers kürzlich in der ZIB 2, er wolle Jobbesetzungen transparent ins Regierungsprogramm aufnehmen. Dazu müsse das Regierungsprogramm – so Thoma – konkrete gesetzliche Schritte zu transparenten Besetzungsverfahren unter Einbindung der Justiz und gerichtlicher Überprüfbarkeit vorsehen, um den europäischen Standards zu entsprechen.
Unter Hinweis auf den Rechtsstaatlichkeitsbericht der Europäischen Union sei auffällig, dass seit Jahren bei der Besetzung von Leitungsfunktionen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine systematische Beteiligung der Justiz vermisst werde. Tatsächlich liege die Besetzung von Leitungsstellen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausschließlich in der Hand der Politik, ob mit oder ohne Sideletter.
Auch die monatelangen Verzögerungen, wie bei der Besetzung der Leitung des Bundesverwaltungsgerichts über ein Jahr, sei das Ergebnis der Uneinigkeit der politischen Entscheidungsträger zum Schaden der Gerichte.
Die Exekutive sei bei der Ausübung des Auswahl- und Ernennungsrechts an die Besetzungsvorschläge – wenn denn solche vorliegen – in der Regel nicht gebunden und müsse ein Abgehen von solchen auch nicht transparent, insbesondere gegenüber den Bewerber:innen, begründen. Es gebe hier – im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern – keinen Justizrat zur Selbstverwaltung der Gerichtsbarkeit, der über Ernennungen entscheide.
Der Rechtsstaatlichkeitsbericht kritisiere zudem den Mangel einer speziellen gerichtlichen Überprüfbarkeit von Ernennungsverfahren, da die Auswahl- und Ernennungsentscheidungen der Exekutive unantastbar seien. Eine Überprüfung des Verfahrens und der Entscheidung durch ein unabhängiges Gericht sei nicht vorgesehen.
Die Besetzung von Leitungsfunktionen in Verwaltungsgerichten sei aber keine bloße „politische“ Angelegenheit. In zahlreichen Urteilen haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Europäische Gerichtshof die Ernennungsverfahren von Richter:innen als durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Verträge der Europäischen Union strukturierte Verfahren beurteilt, die für den Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte und für das Funktionieren des Rechtsstaats überhaupt essenziell seien. In einem wegweisenden Urteil habe der EGMR dargelegt, dass ein willkürliches Abgehen der Exekutive von den Regeln letztlich eine Verletzung des Rechts der Bürger:innen auf ein „auf Gesetz beruhendes Gericht“ nach sich ziehen könne.
Will ein künftiges Regierungsprogramm transparente Besetzungsverfahren unter Einhaltung der europäischen Standards auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umsetzen, so wäre die Planung konkreter gesetzlicher Schritte erforderlich. Alles, was Recht sein soll, müsse transparent im Gesetz zum Ausdruck kommen.
Hier geht es zum Beitrag im Standard ….
Hier geht es zum Länderkapitel Österreich des Rechtsstaatlichkeitsberichtes 2024 …
Siehe auch: Welche Posten die nächste Regierung besetzen muss – und wie das ohne Sideletter gehen könnte