Die Unabhängigen Verwaltungssenate im Gefüge der österreichischen Rechtsordnung

von Gero Schmied

Quelle: UVSaktuell 2009/01

Gründung

Die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern wurden mit der B-VG-Novelle, BGBl. Nr. 685/1988, im 6. Hauptstück der österreichischen Bundesverfassung (Art. 129a und 129b B-VG) als eine damals neuartige Rechtsschutzeinrichtung verankert. Nach Verstreichen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Übergangsfrist haben die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern am 1.1.1991 ihre Tätigkeit aufgenommen. Mit BGBl I Nr. 87/1997 wurde dann in Art. 129c B-VG dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, durch einfaches Bundesgesetz einen weiteren Unabhängigen Verwaltungssenat als oberste Berufungsbehörde in Asylsachen einzurichten. Aufgrund dieser Ermächtigung wurde mit BGBl. I Nr. 77/1997 der Unabhängige Bundesasylsenat als Unabhängiger Verwaltungssenat des Bundes ins Leben gerufen und nahm am 1.1.1998 seine Tätigkeit auf.

Vor allem die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern können nicht gerade als „Wunschkinder“ der damaligen Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung bezeichnet werden und stellten zum Zeitpunkt ihrer Gründung einen veritablen Fremdkörper im traditionellen öffentlichrechtlichen Rechtsschutzsystem dar. Ihre Einrichtung erfolgte aufgrund unausweichlicher Sachzwänge, insbesondere durch die aus österreichischer Sicht unerwartet gekommene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK – unbeschadet der von Österreich zu den Art. 5 und 6 EMRK abgegebenen Vorbehalte – für alle Strafverfahren und darüber hinaus für alle Verfahren, in denen über „civil rights“ abgesprochen wird , die Anrufung eines Gerichts (tribunal) mit voller Tatsachenkognition ermöglicht werden musste. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn maßgebliche Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung den Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern von Beginn an mit Skepsis begegneten und zunächst bestrebt waren, die traditionellen Rechtsschutzeinrichtungen im Bereich der weisungsgebundenen Verwaltung soweit wie möglich zu bewahren, die materiell gerichtsförmige Rechtsprechung im Rahmen der durch die UVS neu geschaffenen Tribunalgerichtsbarkeit auf die verfassungsgesetzlich zwingend vorgegebenen Bereiche zu beschränken, und zu versuchen, verbliebene bzw. vermeintlich verbliebene Einflussmöglichkeiten auf die UVS zu wahren.

Aufgaben

Die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern sind gemäß Art. 129 B-VG neben dem Verwaltungsgerichtshof „zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der ge-samten öffentlichen Verwaltung berufen“.

Dieser – wenn auch programmatische – Satz grenzt die Unabhängigen Verwaltungssenate deutlich von anderen weisungsfrei gestellten Rechtsschutzeinrichtungen, insbesondere den bei Gründung der UVS bereits bestehenden Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag gemäß § 133 Z 4 B-VG sowie den übrigen weisungsfreien Sonderbehörden (Vergabesenate, Dienstrechtssenate Bundeskommunikationssenat, Finanzmarktaufsicht, Regulierungsbehörden etc.) deutlich ab. Somit sind die Unabhängigen Verwaltungssenate in der Verfassung – anders als die zuletzt angeführten weisungsfreien Spezialbehörden – nicht nur für bestimmte Materien, deren Bearbeitung die Konzentration besonderen Sachverstandes erfordert, zuständig, sondern vielmehr als allgemeine Rechtsschutzinstanz angelegt. So hat der Verfassungsgerichtshof zu der mittlerweile dem Rechtsbestand nicht mehr angehörenden Vorschrift des § 54c VStG, der im Verwaltungsstrafverfahren den Ausschluss von ordentlichen Rechtsmitteln gegen Entscheidungen über einen Antrag auf Teilzahlung vorgesehen hatte, ausgesprochen, dass sich die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate (in concreto zur Entscheidung über Berufungen gegen Teilzahlungsbescheide) im Verwaltungsstrafverfahren von Verfassung wegen auch ohne ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers ergebe; ja die entsprechende Rechtsschutzbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates bestehe von Verfassung wegen sogar gegen Entscheidungen von Administrativbehörden, die vom Gesetzgeber (in Form des Ausschlusses ordentlicher Rechtsmittel) ausdrücklich als „endgültig“ bezeichnet wurden.

In diesem Zusammenhang ist noch zu betonen, dass in die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate nicht nur unmittelbar auf Grund des Art. 129a Abs. 1 Z 1 und 2 B-VG die Gewährung des Rechtsschutzes im gesamten Verwaltungsstrafrecht sowie im Bereich der Maßnahmen unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt fällt, sondern den Unabhängigen Verwaltungssenaten mit einfachem Bundes- und Landesgesetz auch sonstige (administrativrechtliche) Angelegenheiten zugewiesen werden können.

Dass die Gesetzgebung von dieser in Art. 129 Abs. 1 Z 3 B-VG eröffneten Möglichkeit zunächst nur zögerlich Gebrauch gemacht hat, liegt im anfänglichen Misstrauen, das den Unabhängigen Verwaltungssenaten vor allem in den Ländern entgegen gebracht wurde. Einen Durchbruch und im Ergebnis einen ganz wesentlichen Fortschritt – brachte hier das Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, mit welchem auf bundesgesetzlicher Ebene zentrale Bereiche des administrativen Verwaltungsrechts, insbesondere das betriebliche Anlagenrecht sowie das Führerscheinwesen in die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate übertragen wurden. In der Folge haben auch die Länder den Unabhängigen Verwaltungssenaten vermehrt administrativrechtliche Kompetenzen übertragen, sogar in politisch hoch sensiblen Bereichen wie dem Vergaberecht, wo mittlerweile – abgesehen von den Ländern Salzburg und Wien – die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig gemacht wurden.

Art. 129 Abs. 3 B-VG nähert die Unabhängigen Verwaltungssenate in Form eines Verweises auf Art. 89 B-VG insofern den ordentlichen Gerichten an, als die Unabhängigen Verwaltungssenate bei Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines von ihnen anzuwendenden Gesetzes oder gegen die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung den Verfassungsgerichtshof anzurufen haben. Dass die Unabhängigen Verwaltungssenate diese Aufgabe von Beginn an wahrgenommen haben und dass es dadurch zur Aufhebung so mancher bundes- bzw. landesgesetzlicher Vorschriften durch den Verfassungsgerichtshof gekommen ist, hat zu erheblichen Verwerfungen mit der weisungsgebundenen Verwaltung und den politischen Entscheidungsträgern geführt. In diesem Zusammenhang wurde den Unabhängigen Verwaltungssenaten wiederholt der Vorwurf gemacht, durch die Anfechtung von Gesetzen beim Verfassungsgerichtshof fehlende Loyalität gegenüber der Gebietskörperschaft zu zeigen und im Fall der Aufhebung der angefochtenen Rechtsvorschrift für die dadurch anfallenden Kosten verantwortlich zu sein. Ein Vorwurf, der insofern verwundert, als die Unabhängigen Verwaltungssenate nicht bloß berechtigt, sondern von Verfassung wegen sogar verpflichtet sind, bei entsprechend fundierten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung den Verfassungsgerichtshof anzurufen.

Gericht oder Behörde

Vor dem Hintergrund der von den Unabhängigen Verwaltungssenaten wahrzunehmenden Aufgaben, die ausschließlich im judiziellen Bereich liegen und keine koordinierenden, planenden oder lenkenden Komponenten beinhalten, des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung sowie des für das Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten normierten Grundsatzes der Unmittelbarkeit waren die Unabhängigen Verwaltungssenate im materiellen Sinn von Beginn an als Gerichte, in concreto als Tribunalgerichte im Sinne des Art. 6 EMRK einzustufen. Geht man mit Machacek davon aus, dass das typische jeden Gerichtes ist, dass sein Tätigwerden nicht aus eigenem Antrieb erfolgt, sondern es vielmehr angerufen werden muss und daher der sogenannte Anlassfall stets Voraussetzung seines Tätigwerdens ist, so können die Unabhängigen Verwaltungssenate, auf die dieses zentrale Wesensmerkmal vollinhaltlich zutrifft, nicht anders, denn als Gericht im materiellen Sinn qualifiziert werden. Dem entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof die Unabhängigen Verwaltungssenate als vorlageberechtigte Gerichte im Sinne von Art. 234 EG-Vertrag anerkannt.

In organisationsrechtlicher Hinsicht hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur wiederum klargestellt, dass im Gefüge der verfassungsrechtlich vorgegebenen Staatsorganisation den Unabhängigen Verwaltungssenat die Stellung von Verwaltungsbehörden zukommt, sie also im verfassungsrechtlichen Sinn keine „Gerichte“, sondern weisungsfreie Verwaltungsbehörden sind. Dies hat der Verfassungsgerichtshof aus den Art. 130 Abs. 1 und 144 Abs. 1 B-VG abgeleitet, die von „Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate“ sprechen.

Die sich solcherart ergebende Stellung der Unabhängigen Verwaltungssenate materiell als Gerichte, staatsorganisatorisch jedoch als weisungsfreie Verwaltungsbehörden hat die im Folgenden erörterten Spannungen mit der traditionellen weisungsgebundenen Verwaltung nachgerade vorprogrammiert.

Organisation

Wenn eingangs von dem Misstrauen die Rede war, das den Unabhängigen Verwaltungssenaten vor allem in der Anfangszeit entgegengebracht wurde, so hat selbiges nicht nur in der Zurückhaltung bei der Aufgabenübertragung im administrativrechtlichen Bereich, sondern auch bei der Erstellung der organisations-rechtlichen Grundlagen für die Unabhängigen Verwaltungssenate seinen Niederschlag gefunden.

Die Zuständigkeit für die Organisation der Unabhängigen Verwaltungssenate überträgt Art. 129b Abs. 6 B-VG den Ländern. Das B-VG selbst sieht diesbezüglich nur Mindeststandards vor. So sind die Senatsmitglieder gemäß Art. 129b Abs. 1 B-VG von der Landesregierung für mindestens sechs Jahre zu ernennen. Eine vorzeitige Abberufung kann nur auf Beschluss des Verwaltungssenates, d.h. der Vollversammlung seiner Mitglieder erfolgen. Art. 129b Abs. 3 B-VG garantiert die Weisungsfreiheit der Mitglieder und normiert – wie im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit – den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung.

Nur das Bundesland Oberösterreich ist zunächst deutlich über diese Mindeststandards hinausgegangen und hat von Anfang an die unbefristete Ernennung von Senatsmitgliedern vorgesehen. An den übrigen Senaten wurden die Mitglieder zu Beginn nur auf sechs Jahre befristet aufgenommen. Was das Disziplinarrecht betrifft, fehlte und fehlt es in einigen Ländern nach wie vor an Regelungen, die der verfassungsrechtlich gewährleisteten Unabhängigkeit der Senatsmitglieder und deren materiellrechtlich als richterlich zu qualifizierender Tätigkeit ausreichend Rechnung trägt . Ähnliches gilt auch für die Leistungsbeurteilung und das Besoldungsrecht.

Die in der Fachwelt gehegte Befürchtung, die befristete Ernennung von Senatsmitgliedern könnte dazu führen, dass nach Ablauf der Bestellungsfrist ihre Wiederernennung weniger von der fachlichen Qualifikation und den erbrachten Leistungen als vielmehr von ihrem „Wohlverhalten“ abhängen könnte, hat sich in Einzelfällen bewahrheitet. Sowohl am UVS Tirol als auch am UVS Wien kam es zu fragwürdigen Personalentscheidungen, die auch medial ihren Niederschlag gefunden haben . Die Aussage des damaligen Wiener Senatspräsidenten, im Fall der Wiederbestellung eines bestimmten Mitgliedes wäre aus seiner Sicht der Senat „unlenkbar“ spricht Bände . Besser kann das damalige Bestreben, den Unabhängigen Verwaltungssenat – unbeschadet der verfassungsgesetzlich grundgelegten Garantien – weiterhin durch die Politik und die weisungsgebundene Verwaltung kontrollieren und beeinflussen zu wollen, nicht zum Ausdruck gebracht werden. Im überwiegenden Teil der Fachöffentlichkeit sind derartige Vorgänge dagegen auf wenig Verständnis gestoßen.

Einen ersten Wendepunkt in Richtung der Stärkung der Unabhängigen Verwaltungssenate markiert das Jahr 1997. Damals hatte der Präsident des UVS Wien Wünsche für eine Änderung der Geschäftsverteilung, die an ihn von der Landesverwaltung herangetragen worden waren, gegen den Widerstand des dafür zuständigen Geschäftsverteilungsausschusses im Alleingang durchgesetzt, woraufhin die Geschäftsverteilung von einer Vielzahl von Senatsmitgliedern angefochten und letztendlich vom Verfassungsgerichtshof behoben wurde .

Mit dem aufhebenden Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Garantie der Unabhängigkeit der Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate ein zentraler Stellenwert in der Verfassung zukommt und der Einflussnahme auf die Unabhängigen Verwaltungssenate seitens der Politik und der weisungsgebundenen Verwaltung enge Grenzen gesetzt sind. So wurde etwa in diesem Erkenntnis betont, dass der dem Art. 87 Abs. 3 B-VG, welcher für die ordentliche Gerichtsbarkeit gelte, nachgebildete Art. 129b Abs. 2 B-VG auch für die Unabhängigen Verwaltungssenat den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung statuiere, wobei es sich um ein Rechtsinstitut handle, das hier wie dort in erster Linie der Stärkung der Unabhängigkeit der davon betroffenen staatlichen Organe diene.

Dem über die im sechsten Hauptstück des B-VG ausdrücklich verankerten Mindeststandards hinausreichenden Ausbau der unabhängigen Stellung der Senatsmitglieder hat in der Folge das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2.10.1997, VfSlg 14.939/1997, zum Durchbruch verholfen. Der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Fall betraf eine Maßnahmenbeschwerde, die gegen eine von der BPD Wien ausgesprochene Festnahme ohne richterlichen Befehl gerichtet war und über die ein Mitglied des UVS Wien abgesprochen hatte, das als Beamter der BPD Wien karenziert und für die Dauer von sechs Jahren zum Senatsmitglied ernannt worden war. Dieses Senatsmitglied hätte im Fall des Ablaufens der Bestellungsfrist wieder seinen Dienst als Beamter der Bundespolizeidirektion Wien aufnehmen müssen. Der VfGH kam zu dem Ergebnis, dass in einem solchen Fall der Anschein der Unabhängigkeit nicht gewahrt wäre. Eine solche Situation könnte nämlich das Vertrauen in Frage stellen, das „Gerichte“ (hier wird der Unabhängige Verwaltungssenat offenbar als Gericht im materiellen Sinn angesprochen) in einer demokratischen Gesellschaft vermitteln sollten. Daher sei der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden. In einem weiteren Erkenntnis zu einem ähnlich gelagerten Fall sah der Verfassungsgerichtshof in einem Verwaltungsstrafverfahren, das von der Bundespolizeidirektion Wien geführt worden war, durch den möglichen Anschein der Befangenheit des zuständigen Senatsmitgliedes – auch in diesem Fall handelte es sich um einen karenzierten Beamten der Bundespolizeidirektion Wien – das Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht im Sinne des Art. 6 EMRK verletzt.

Die höchstgerichtliche Judikatur führte im Ergebnis dazu, dass etwa am Unabhängigen Verwaltungssenat Wien alle Senatsmitglieder, die zuvor Beamte des Magistrats der Stadt Wien waren, in Verfahren, in denen der Magistrat der Stadt Wien als erstinstanzliche Behörde eingeschritten war, nicht mehr hätten entscheiden dürfen, was die Ausarbeitung einer darauf Rücksicht nehmenden und zugleich die Geschäfte auf die Mitglieder gleichmäßig aufteilenden Geschäftsverteilung unmöglich gemacht hätte, sodass im Ergebnis den Unabhängigen Verwaltungssenat mittelfristig lahmgelegt worden wäre.

Vor diesem Hintergrund entschloss man sich im Land Wien dazu, von der bloß befristeten Ernennung der Senatsmitglieder abzugehen und verabschiedete im Jahr 1999 eine umfassende Novelle des die Einrichtung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien sowie die Rechtsstellung seiner Mitglieder regelnden Organisationsgesetzes , das von nun an nicht nur die unbefristete Bestellung aller Senatsmitglieder vorsieht, sondern auch in anderen Bereichen – etwa bei der Leistungsbeurteilung – eng am Richterdienstrecht ausgerichtete und der unabhängigen Stellung der Senatsmitglieder Rechnung tragende Regelungen enthält. Nachdem – ebenfalls ausgelöst durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – nunmehr auch die freie Dienstzeit gesetzlich verankert ist , hat sich, was die Garantien der Unabhängigkeit betrifft, die Rechtsstellung eines Mitgliedes am Unabhängigen Verwaltungssenat Wien derjenigen eines Justizrichters schon sehr weit angenähert und sind die dienst- und organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen des Jahres 2007 mit jenen der Anfangszeit nicht mehr zu vergleichen.

Auch an den übrigen Unabhängigen Verwaltungssenaten haben die Landesgesetzgeber reagiert und ist de lege lata in jedem Bundesland – zumindest ab der ersten Wiederbestellung, auf Antrag meist schon zuvor – die unbefristete Senatsmitgliedschaft vorgesehen, sodass der bei weitem überwiegende Anteil der österreichweit etwa 200 Senatsmitglieder auf unbestimmte Zeit ernannt ist. Das Erscheinungsbild der Unabhängigen Verwaltungssenate hat sich somit seit Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 1991 grundlegend verändert.

Sonderfall Asylrecht

Für Asylverfahren war 1998 ein Unabhängiger Verwaltungssenat auf Bundesebene – der Unabhängige Bundesasylsenat – UBAS – eingerichtet worden. Dessen Mitglieder wurden von Beginn an unbefristet ernannt, ihre Unabhängigkeit schien hinreichend abgesichert. Als jedoch trotz eines stetigen Anstiegs der Asylverfahren die dringend gebotene personelle Aufstockung des UBAS unterblieben war und die Erledigungsrückstände ein rechtsstaatlich kaum noch vertretbares Ausmaß erreicht hatten , geriet die gesamte Institution massiv unter Druck. Ganz wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch der Novellierung des Bundesministeriengesetzes im Jahr 2003 zu, wodurch der UBAS im außerjudiziellen Bereich, also im Bereich dessen, was in der ordentlichen Gerichtsbarkeit als Justizverwaltung firmiert, nicht wie bis dahin dem Bundeskanzler, sondern nunmehr dem Bundesminister für Inneres unterstellt wurde.

Schon im Vorfeld dieser Maßnahme hatten die Senatsmitglieder eindringlich davor gewarnt , den Senat organisatorisch derjenigen Institution zu unterstellen, in deren Verantwortungsbereich die Entscheidungen getroffen werden, die der UBAS als Berufungsinstanz zu überprüfen hat . Der Senatsvorsitzende wählte gegenüber der Presse diesbezüglich folgenden Vergleich: „Wenn das von uns kontrollierte Ministerium mit uns Gehaltsverhandlungen führt, und uns die EDV bereitstellt, ist das, als ob der Verkehrspolizist von dem Autofahrer, den er anhält, erst die Winkkelle bewilligt bekommen muss.“ Die sich solcherart abzeichnenden Spannungen erreichten ein derartiges Ausmaß, dass der damals zuständige Innenminister bereits öffentlich andachte, den UBAS aufzulösen und das Asylverfahren wieder zur Gänze in den Bereich der weisungsgebundenen Verwaltung zu überführen .

Erst mit der längst überfälligen Aufstockung des Personals 2005/2006 und dem gleichzeitigen Rückgang der neu gestellten Asylanträge trat Entspannung ein und erfolgte mit BGBl. I Nr. 2/2008 schließlich sogar die unten näher erörterte Überführung des UBAS in den als „volles“ Verwaltungsgericht installierten Asylgerichtshof.

Bestrebungen zum Vollausbau der UVS in eine Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz

Auch hinsichtlich der Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern haben sich nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ihr Wirken im Vergleich zur Anfangsphase deutlich verbessert, verändert hat sich auch die oben schon mehrfach angesprochene, anfangs skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber gerichtsförmigen Entscheidungsinstanzen im Verwaltungsrecht. Es scheint, dass die weisungsgebundene Verwaltung die Unabhängigen Verwaltungssenate mittlerweile zwar nicht unbedingt lieben, mit ihnen aber zu leben gelernt hat.

So haben nach mehreren auf Bundesebene gestarteten, letztlich jedoch am Widerstand der Länder gescheiterten Versuchen, die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern in Landesverwaltungsgerichte bzw. den Unabhängigen Bundesasylsenat in einen Asylgerichtshof zu überführen, die Gespräche im Ausschuss 9 des Österreichkonvents erstmals zu einer Einigung aller politisch maßgeblichen Kräfte auf einen konkreten, legistisch bereits ziemlich weit konkretisierten Entwurf für die Einführung von Verwaltungsgerichten erster Instanz in den Ländern sowie eines Bundesverwaltungsgerichtes erster Instanz für den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung geführt .

Im Jahr 2007 wurde von einer im Bundeskanzleramt eingerichteten Expertengruppe, der Vertreter aus Bund und Ländern angehörten, ein Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes erstellt und zur allgemeinen Begutachtung versendet, der auf der Basis des im Österreichkonvent erzielten Konsenses die Einrichtung von Verwaltungsgerichten erster Instanz in den Ländern sowie eines Bundesverwaltungsgerichtes, das für den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung zuständig sein sollte, vorsah. Diese zehn Verwaltungsgerichte sollten in allen Verwaltungsverfahren letztinstanzlich (allerdings bei gleichzeitigem Fortbestehen der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof) entscheiden und somit zahlreiche bestehende Verwaltungsdienststellen und Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag ersetzen.

Die zu diesem Entwurf erstatteten Stellungnahmen sowohl von einzelnen Bundesländern als auch von einigen Bundesministerien lesen sich allerdings so, als hätte ein Österreichkonvent nie stattgefunden und handle es sich bei der Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten nicht um ein bereits mehrfach zwischen Bund und Ländern konsentiertes, sondern um ein neues, einen Angriff auf bestehende Verwaltungsstrukturen darstellendes Projekt.

So kam es in der Folge wieder nicht zu einer strukturellen Reform, sondern wurde lediglich im Bereich des Bundes der UBAS in einen Asylgerichtshof überführt, dessen nähere Ausgestaltung im Abschnitt B des siebenten Hauptstücks des B-VG (Art. 129c bis 129f B-VG) grundgelegt ist. Es wurde damit allerdings – entgegen den Bestrebungen im Österreichkonvent und in der Expertengruppe – kein Bundesverwaltungsgericht erster Instanz mit weiterem oder zumindest erweiterbarem Zuständigkeitsbereich geschaffen, sondern beschränkte der Verfassungsgesetzgeber die Zuständigkeit des Asylgerichtshofs – wie zuvor jene des UBAS – auf Asylverfahren. Außerdem wurde – abgesehen von den in der Praxis nur selten zu treffenden Grundsatzentscheidungen – der Rechtszug zum Verwaltungsgerichtshof abgeschnitten. Diese von Höchstrichtern und weiten Teilen der Lehre heftig kritisierte Maßnahme sollte der Verkürzung von Asylverfahren sowie der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes dienen, führte aber mittlerweile zu einem extrem starken Anstieg der Belastung des Verfassungsgerichtshofes mit Beschwerden in Asylsachen, die auf Dauer rechtsstaatlich und rechtspolitisch nicht unbedenklich erscheint.

Was die Überführung der früheren UBAS-Mitglieder zu Richtern des Asylgerichtshofes betrifft, wurde in Art. 151 Abs. 39 Z 3 B-VG eine durchaus sachgerechte Lösung gefunden, die sich an den diesbezüglichen Vorarbeiten des Österreichkonvents orientiert. Als Mitglieder des Asylgerichtshofes sind die vormaligen UBAS-Mitglieder nunmehr von Verfassung wegen Richter und sind auf sie die Bestimmungen der Art. 87 Abs. 1 und 2 und 88 Abs. 1 und 2 B-VG sinngemäß anzuwenden.

Ein Rückenwind für die baldige Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern ist durch die erfolgreiche Installierung des Asylgerichtshofes als erstes „volles“ Verwaltungsgericht neben dem Verwaltungsgerichtshof bislang nicht zu verspüren. Zwar findet sich das Projekt „Landesverwaltungsgerichtsbarkeit“ auch in der aktuellen Regierungserklärung wieder, doch verfügt die derzeitige Regierung über keine Verfassungsmehrheit und scheinen somit die Chancen auf eine Realisierung wieder deutlich geringer.

Die Erfahrungen von mittlerweile fast 20 Jahren UVS und den zahllosen seither unternommenen Versuchen, diese in (volle) Landesverwaltungsgerichte zu überführen und deren Zuständigkeit auf sämtliche Verwaltungsmaterien auszudehnen, haben gezeigt, dass die politische Umsetzung einer so groß angelegten Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit zwischen den politischen Parteien sowie zwischen Bund und Ländern zwar dem Grunde nach konsensfähig erscheint, in Detailfragen aber – nicht zuletzt wegen des gewaltigen Umfangs einer solchen Reform – derartige Widerstände auf den Plan ruft, dass eine politische Realisierung in weiter Ferne zu liegen scheint.

Nach Ansicht des Autors wäre es daher an der Zeit, sich in der Frage der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit neu zu orientieren und als ersten Schritt die bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenaten mit unveränderten oder bloß geringfügig erweiterten Kompetenzen in (volle) Landesverwaltungsgerichte zu überführen, dem einfachen Bundes- und Landesgesetzgeber aber die Möglichkeit offenzuhalten, die Kompetenzen dieser Gerichte schrittweise auszubauen.

Der Wert gerichtsförmiger Entscheidungen im Verwaltungsrecht

Was macht nun aber den Wert gerichtsförmig entscheidender Instanzen im Verwaltungsrecht aus. Welcher Gewinn ist für den Normunterworfenen von einer unabhängigen gerichtlichen Rechtsprechung gegenüber der Vollziehung von Rechtsvorschriften durch weisungsgebundene Organe, die – wie ihre Verfechter stets betonen – durch ihre hierarchische Unterstellung unter vom Volk gewählte Staatsorgane eine besondere demokratische Legitimierung aufweisen, zu erwarten.

Der erste markante Unterschied liegt in der Unmittelbarkeit gerichtlicher Entscheidungsfindung , die im Gegensatz zum arbeitsteiligen, bürokratischen Prozess in der traditionellen Verwaltung dadurch charakterisiert ist, dass aufgrund einer im Vorhinein feststehenden Geschäftsverteilung , die ihrerseits auf einem kollegial gefällten richterlichen Beschluss beruht, dem Richter ein Geschäftsfall fix zugewiesen wird und der Richter diesen Geschäftsfall vom ersten Aktenstudium über die mündliche Verhandlung bis hin zur Urteilsausfertigung persönlich betreut. Die Delegation von Arbeitschritten beschränkt sich dabei auf eher untergeordnete Tätigkeiten, wie das Anlegen von Formblättern, die Beischaffung von Aktenteilen, die Einholung von Strafregister-, Firmenbuch- oder Meldeauskünften, die Ausführung von Schreibarbeiten und dergleichen .

Was die Verfahrensführung betrifft, unterscheidet sich die funktional richterliche Tätigkeit an den Unabhängigen Verwaltungssenaten grundlegend von jener in der traditionellen Verwaltung. So steht im Mittelpunkt des Arbeitens die mündliche Verhandlung, in welcher die Beweise unmittelbar aufgenommen werden, wohingegen in der traditionellen Verwaltung das aktengebundene Arbeiten, gerade in den Berufungsinstanzen dominiert. Die mündliche Verhandlung gewährleistet nun einerseits den Parteien des Verfahrens, ihre Sache authentisch vorzutragen und ermöglicht andererseits dem zur Entscheidung berufenen Organ, sich einen unmittelbaren Eindruck von den Parteien, den Zeugen sowie den Sachverständigen zu bilden und im Wege der direkten Kommunikation von Person zu Person auf alle Eigenheiten des gerade anliegenden Falles einzugehen. Gerade in Verfahren ohne Anwaltszwang (ein solcher ist dem Verwaltungsverfahren – abgesehen von der Beschwerdeführung bei den Höchstgerichten – fremd) bringt die mündliche Verhandlung oft überraschende Ergebnisse und mitunter ergibt sich danach ein im Vergleich zur Aktenlage deutlich anderes Bild vom Hergang des Geschehens. Zudem wird die Feinabstimmung der Entscheidung auf die Gegebenheiten des Einzelfalles oft erst durch die mündliche Verhandlung ermöglicht.

Letztendlich trägt auch der mit der Weisungsfreistellung der Unabhängigen Verwaltungssenate einhergehende Wegfall der Bindung an Erlässe (generelle Weisungen) zu deutlich höherer Einzelfallgerechtigkeit bei der Entscheidungsfindung bei. Als Beispiel soll in diesem Zusammenhang die Strafbemessung angeführt werden. Sie wird – zumindest im Land Wien – für die weisungsgebundenen erstinstanzlichen Behörden per Erlass vorgegeben und verpflichtet die erstinstanzlichen Strafbehörden nach Eingabe einzelner, rudimentärer Parameter die Strafhöhe durch ein EDV-Programm errechnen zu lassen. Auf die besonderen Umstände des Einzelfalls kann dabei – ganz im Gegensatz zu der an solche Weisungen und Vorgaben nicht gebundenen, funktional richterlichen Rechtsprechung an den UVS – nicht entsprechend eingegangen werden.

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der geschilderten Unterschiede im organisatorischen Umfeld, im Berufsbild und in der Art der Verfahrensführung verwundert es nicht, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate entgegen den anfänglich in der Lehre gehegten Befürchtungen, sie würden sich als willfährige Fortsetzung der Verwaltungsorganisationen und ihrer Auffassungen erweisen , durchaus in der Lage waren, in der Judikatur eigene Akzente zu setzen und in organisationsrechtlicher Hinsicht den Ausbau der Garantien ihrer Unabhängigkeit – oftmals auch gegen massiven Widerstand – voranzutreiben. Nicht zuletzt der Umstand, dass der bei weitem überwiegende Teil der UVS-Mitglieder sich nach dem Vorbild der Richtervereinigung in einer eigenen Standesvertretung, nämlich der Vereinigung der Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate zusammengeschlossen hat, deren Statuten als Ziel die Förderung und Weiterentwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich und der Ausbau der Berufsstellung der Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate zu Richtern im Sinne des B-VG vorgeben, zeigt, wie tief und auf welch breiter Ebene sich richterliches Selbstverständnis an den Unabhängigen Verwaltungssenaten etablieren konnte.

Resümierend lässt sich festhalten, dass die gerichtsförmige Entscheidungsfindung im Verwaltungsrecht, gerade dort, wo es um Einzelfallentscheidungen geht, einen eigenständigen Wert hat, der durch andere Systeme nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Die Einführung der Unabhängigen Verwaltungssenate sowie ihr im Planungsstadium befindlicher „Vollausbau“ zu Verwaltungsgerichten erster Instanz ist daher mittlerweile keineswegs als bloße Modeerscheinung oder von außen aufgezwungene Notwendigkeit abzutun. Vielmehr hat sich im Verlauf der bereits 18 Jahre währenden Tätigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate gezeigt, dass die Stärkung der gerichtlichen Komponente im Verwaltungsrecht kein Fremdkörper sein muss, sondern zu einer effektiven Verbesserung des Rechtsschutzes sowie zu einer größere Akzeptanz der Entscheidungen auf Seiten der Normunterworfenen beitragen kann.

Die Einrichtung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mit gegenüber den bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenaten unveränderten oder bloß geringfügig erweiterten Kompetenzen, der in diesem Beitrag das Wort geredet wird, wäre somit keineswegs als fundamentale Neuerung im österreichischen Rechtsschutzsystem anzusehen. Sie würde vielmehr den abschließenden Schritt einer Entwicklung darstellen, die bereits fast zwei Jahrzehnte andauert und von einem steten Ausbau des richterlichen Elements in der Organisation und Rechtsprechungspraxis der UVS geprägt war.

Gerade vor diesem Hintergrund erscheint es an der Zeit, auch die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern verfassungs- und organisationsrechtlich als das zu verankern, was sie de facto bereits sind, nämlich als Gerichte, und den Senatsmitgliedern, die ohnedies bereits – ausgestattet mit den wichtigsten richterlichen Garantien – richterliche Arbeit mit richterlichem Selbstverständnis verrichten, auch formell die Stellung und Bezeichnung als Richter einzuräumen.

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