Der Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 14.12.2022, G 287/2022) hat bereits vor eineinhalb Jahren das datenschutzrechtliche Medienprivileg für verfassungswidrig erklärt, das in § 9 Abs. 1 DSG für die Tätigkeiten zu journalistischen Zwecken der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit kategorisch den Vorrang gegenüber dem Recht auf Datenschutz einräumte und sämtliche Datenschutzregeln ausschloss. Die Reparatur des „Medienprivilegs“ soll nun mit dem vom Justizministerium vorgelegten Entwurf gerade noch rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 30.06.2024 erfolgen.
Mit der Vorlage soll nicht nur der vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene medienspezifische Grundrechtsausgleich zwischen dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit sowie dem Recht auf Datenschutz erfolgen, sondern auch Ausnahmen von den umfassenden Regeln der europäischen Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen werden, die notwendig sind, um die Arbeit von Journalist:innen zu ermöglichen. Von den Ausnahmen umfasst sind einerseits klassische Medien, aber auch erstmals journalistische Tätigkeit außerhalb von Medienunternehmen oder Mediendiensten für den „Bürgerjournalismus“ in § 9a DSG. Fraglich ist, in wie weit die weitere Ausnahme vom Datenschutz für Medienjournalist:innen in § 9 DSG im Gegensatz zu „Bürgerjournalist:innen“ in § 9a DSG sachlich gerechtfertigt ist, dies auch deshalb weil eine Abgrenzung zwischen freien Journalist:innen und „Bürgerjounalist:innen“ nicht immer klar ist.
Das „datenschutzrechtliche Redaktionsgeheimnis“ soll über das „normale“ medienrechtliche Redaktionsgeheimnis deutlich hinausgehen. Es soll daher auch von Beschuldigten oder von Beschwerdegegnern gegenüber dem Betroffenen eingewendet werden können. Der Verantwortliche muss Schriftstücke, Druckwerke, Bild- oder Tonträger oder Datenträger, Abbildungen und andere Darstellungen mit geschütztem Inhalt nicht herausgeben und dürfen diese nicht beschlagnahmt werden.
Für die datenschutzrechtliche Auskunftspflicht wird unterschieden, ob bereits eine Veröffentlichung erfolgte oder noch nicht. Vor der Veröffentlichung eines Artikels oder Beitrags soll das Auskunftsrecht zur Gänze ausgeschlossen werden. Nach Veröffentlichung steht das Auskunftsrecht der betroffenen Person in Bezug auf die personenbezogenen Daten zu, die der Veröffentlichung zu Grunde liegen. Um Massenanfragen zu verhindern und Quellenschutz zu gewährleisten, soll eine Ablehnung des Auskunftsbegehrens möglich sein, wenn das Redaktionsgeheimnis dem entgegensteht. Ein entsprechendes Auskunftsbegehren muss individuell hinsichtlich konkret zu bezeichnenden Veröffentlichungen begründet werden und eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von neun Euro bezahlt werden. Die Bearbeitungsgebühr wurde eingeführt, um Massenanfragen zu verhindern. Ob diese Gebühr unionsrechtlich zulässig ist, aber auch diese beabsichtige Wirkung zeitigt, ist fraglich.
Die betroffene Person kann die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auskunftsverweigerung zunächst bei der Datenschutzbehörde verlangen und sich dagegen beim Bundesverwaltungsgericht beschweren. In diesen Verfahren hat der Verantwortliche die Voraussetzungen „glaubhaft“ zu machen. Ob mit derartigen Verfahren die Verantwortlichen bzw. die Journalist:innen vor Missbrauch von Datenschutzbegehren und entsprechende Überprüfungsverfahren ausreichend geschützt werden, wird von Seiten des Presseclub Concordia bezweifelt. Es fehle nach Ansicht des Presseclubs auch an einer Instanz mit medienrechtlicher Spezialisierung. Da jedoch bereits bisher das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz im Datenschutz zuständig ist und in Zukunft auch für die Informationsfreiheit zuständig sein wird, ist davon auszugehen, dass sichergestellt wird, dass es über das notwendige Knowhow verfügt, Abwägungen zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Recht auf Datenschutz durchzuführen.
Die kurze Begutachtungsfrist bis zum 20.05.2024 erklärt sich durch das baldige Inkrafttreten der Aufhebung des (alten) § 9 Abs. 1 DSG.
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