Informationsfreiheitsgesetz (IFG): Zur Rolle der Gerichtsbarkeit

Im Rahmen der Frühjahrstagung der Österreichischen Juristenkommission (ÖJK) am 18.-19.04.2024 wurden aus den verschiedenste Perspektiven die Auswirkungen und dementsprechend die erforderlichen Umsetzungsthemen und offenen Fragen im Zusammenhang mit dem IFG in einer hochkarätigen Runde aus Vertreter:innen der Rechtsanwälte, der Richter und der Verwaltung beleuchtet. Eva Souhrada-Kirchmayer, Richterin am Bundesverwaltungsgericht, hat sich mit der Rolle der Verwaltungsgerichte beschäftigt und Problemstellungen und Aufgaben aufgezeigt, die es von den Gerichten nun bereits zu lösen gilt, um entsprechend bei Inkrafttreten des Gesetzes vorbereitet zu sein.

Auch zum IFG gebe es – wie seinerzeit bei In-Geltung-Treten der DSGVO – verschiedene Meinungen dazu, ob es sich um eine „Revolution“ oder „More of the same“ handle. In den Vorgängerregelungen zur B-VG-Änderung und dem IFG, konkret in Art. 20 Abs. 4 B-VG, im Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz und in dem auf dieser Grundlage ergangenen (Bundes-) Auskunftspflichtgesetz sowie in den entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen, seien Informationenpflichten bereit seit 1.1.1988 in Österreich vorgesehen. Insofern würde man mit dem IFG nicht bei Null starten, sondern sei bereits ein Substrat da, auf dem aufgebaut werden könne, erläuterte sie. Allerdings dürften die noch geltenden Auskunftspflichtgesetze dem Großteil der Bevölkerung unbekannt sein.

Entgegen dem im Februar 2021 versendeten Entwurf zu einer Änderung des B-VG und eines Informationsfreiheitsgesetzes sehe das beschlossene Gesetz keinen Informationsanspruch gegenüber der Gerichtsbarkeit im Rahmen des Judiziums vor. Dies wohl auch aufgrund der damals durchwegs ablehnenden Stellungnahmen der Gerichte.

Nach wie vor sei aber eine proaktive Informationspflicht auch für den Bereich der Gerichtsbarkeit im engeren Sinn vorgesehen, was bedeute, dass vor allem mehr Judikatur der Gerichte zu veröffentlichen sein würden. Dies werde wohl jene Gerichte betreffen, die nicht einer generellen Veröffentlichungspflicht ihrer Entscheidungen im RIS unterlägen, wobei es hinterfragenswert scheine, ob eine Veröffentlichung sämtlicher Routineentscheidungen, die etwa wortgleichen veröffentlichten Judikaten entsprächen, generell stattfinden müsse.

Überdies sei davon auszugehen, dass auch (zumindest gewisse) durch kollegiale Justizverwaltungsorgane beschlossene Akte wie die Geschäftsverteilung eines Gerichtes von allgemeinem Interesse seien.

In diesem Zusammenhang führte sie auch das Problem der Anonymisierung und des Informationsgehalts der veröffentlichten Entscheidungen an. Während etwa in § 20 BVwGG eine Anonymisierung sämtlicher (nicht bloß verfahrensleitender) Entscheidungen des BVwG vorgesehen sei, normiere z.B. das Bundesgesetz über den OGH, dass nur bezüglich bestimmter Entscheidungen eine Publikation ganz entfallen könne, ansonsten aber so zu anonymisieren sei, dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht verloren gehe. Aufgrund dieser verschiedenen Regelungen komme es zum Teil zu großzügigen Anonymisierungen, die mitunter zu schwer nachvollziehbaren Veröffentlichungen führten, während mit § 15 des Bundesgesetzes über den OGH eher in Richtung einer Pseudonymisierung gegangen werde. Für den Informationssuchenden sei diese Vorgangweise sicherlich befriedigender, berge aber auch neue Risiken in sich – wie etwa die Gefahr, dass man pseudonymisierte Texte mittels KI leicht auf Personen zurückführen könne. Sie regte in diesem Zusammenhang die Schaffung einheitlicher Regelungen und Vorgangsweisen an.

Ohnehin außer Streit stehe, dass eine proaktive Veröffentlichungspflicht auch für die Justizverwaltung gelte, soweit es sich um Angelegenheiten handle, die von allgemeinem Interesse seien, wie zum Beispiel Tätigkeitsberichte, allfällige Statistiken und allenfalls die Geschäftseinteilung oder Auszüge derselben (betreffend die in der Justizverwaltung tätigen Personen) und dergleichen.

Nach dem Hinweis auf die bisherigen Auskunftspflichten und die bisher bereits in vielen Fällen wesentlich größere Rolle des Datenschutzes gegenüber den Gründen der Amtsverschwiegenheit führte sie aus, dass nun mit dem IFG ein generelles (Grund-)Recht auf Zugang zu Informationen geschaffen werde. Bisher sei ein solches Recht insbesondere aufgrund der Rechtsprechung des EGMR Magyar Helsinki Bizottsag vs Hungary (Appl no. 18030/11, 08.11.2016), nur den „public watchdogs“ wie Journalisten und NGOs eingeräumt worden, soweit dies zum Ausübung der freien Meinungsäußerung instrumentell sei.

Die Amtsverschwiegenheit in Art. 20 Abs. 3 B-VG werde nun zwar „wegnovelliert“, dafür fänden sich in Art. 22a B-VG bei den Ausnahmen zur Informationspflicht Formulierungen, die teilweise wortgleich mit dem Amtsgeheimnis seien, teilweise formulierungsmäßig etwas variierten, jedoch grundsätzlich in dieselbe Richtung gingen. Ebenso seien derartige Bestimmungen auf einfachgesetzlicher Ebene im IFG enthalten. Insofern fänden sich Gründe der Amtsverschwiegenheit im IFG als Geheimhaltungsgründe wieder, die einer Informationserteilung entgegenstehen können.

Zu einer Ausweitung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte führe die Regelung, dass gegen die Nichterteilung der Information durch bestimmte private Informationspflichtige die VwG angerufen werden können.

So etwa entscheide über die Nichterteilung der Information durch Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen, die von Organen des Bundes oder von hierzu von Organen des Bundes bestellten Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, oder Unternehmen, an denen der Bund alleine oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofs unterliegenden Rechtsträgern zu mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt sei oder die der Bund allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen tatsächlich beherrsche, das BVwG, im Übrigen die LVwG.

Soweit diese Unternehmen keine fristgerechte Information erteilten, könne die Informationswerberin oder der Informationswerber nämlich einen „Antrag auf Entscheidung der Streitigkeit“ direkt an das VwG stellen, sodass das VwG aufgrund einer (bloßen) Verweigerung einer Informationserteilung durch ein Unternehmen – innerhalb von zwei Monaten ein (komplettes) Ermittlungsverfahren zu führen habe, was bereits angesichts der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und der Tatsache, dass zuerst zu eruieren sei, ob es sich überhaupt um ein auskunftspflichtiges Unternehmen iSd IFG (etwa im Sinn einer „Beherrschung“) handle, eine Herausforderung darstelle.

Insgesamt stelle dies nicht nur einen erhöhten Aufwand für die Verwaltungsgerichte im Vergleich zu den bisherigen in Auskunftspflichtsachen durchgeführten Bescheidbeschwerdeverfahren dar, sondern auch eine Verkürzung des Rechtszuges für die Rechtsuchenden im Vergleich zu einem Informationsanspruch, der gegenüber den Behörden geltend gemacht werde.

Eine regelmäßige Verkürzung des Rechtszuges ergebe sich auch generell bei Säumnis, da eine säumige Behörde den Bescheid nicht etwa nachholen könne, sondern die Säumnisbeschwerde von der Behörde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorgelegt werden müsse.

Die Vortragende führte aus, dass eine niederschwelligerer Rechtsbehelf einer direkten Anrufung des Verwaltungsgerichtes vorzuziehen sei und schlug vor, einen Informationsbeauftragten einzurichten, welche Funktion – nach Vorbild anderer europäischer Länder – die Datenschutzbehörde (DSB) übernehmen könnte. Die DSB könnte dabei bei ihrer Entscheidung, ob Zugang zu Informationen gegeben werden solle, die datenschutzrechtlichen Aspekte entsprechend mitbeurteilen und Judikaturdivergenzen entgegenwirken. Zumindest solle die DSB als Ombudsstelle einer Anrufung des Gerichts vorgeschaltet werden.

Damit könne auch die Problematik des § 10 IFG entschärft werden, wonach das zuständige Organ vor der Erteilung der Information die betroffenen Personen „nach Möglichkeit“ zu hören habe.  In den Erläuterungen werde den betroffenen Personen entgegen § 8 AVG eine Parteieigenschaft nicht zugestanden. Soweit personenbezogene Daten einer Informationswerberin oder einem Informationswerber mitgeteilt werden sollten, würden wohl die „betroffene Personen“ ein rechtliches Interesse (wie etwa auf Geheimhaltung ihrer Daten) haben, was zur Folge habe, dass ihnen alle Parteienrechte einzuräumen und sie jedenfalls zu hören sein werden. Wie in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgegangen werden solle, wenn das Verwaltungsgericht etwa die betroffenen Personen gar nicht kennen könne (zum Beispiel, weil es sich um eine Vielzahl von Unternehmen handle), werde freilich nicht ausgeführt.

Aus § 11 Abs. 3 IFG ergebe sich, dass die Verwaltungsgerichte nicht wie bisher bloß festzustellen hätten, dass (und in welchem Maß) die Auskunft zu Unrecht verweigert worden sei, sondern nun auch gegebenenfalls einen Auftrag zur Erteilung der Information zu erteilen hätten. Gegen eine Informationserteilung aufgrund eines Erkenntnisses des VwG könnten sich die betroffenen Personen wegen einer behaupteten Rechtsverletzung jedoch wiederum an die DSB und in weiterer Folge an das BVwG wenden. Würde das BVwG hier zu einer anderen Entscheidung kommen als das ursprünglich zuständige VwG (welches ein LVwG oder auch das BVwG selbst sein könne), so entstünde hier eine Judikaturdivergenz, die nur durch höchstgerichtliche Rechtsprechung zu beseitigen wäre, was weitere Zeit in Anspruch nehmen würde.

Es sei daher der Rechtsschutz im IFG jedenfalls verbesserungsbedürftig und es sollte daher schon jetzt über eine zukünftige Reform des IFG nachgedacht werden, schloss sie ihre Ausführungen.

Hier geht uns zur Kurzfassung Ihres Vortrags … 

Hier geht’s zur Homepage der ÖJK …

Siehe dazu auch bereits: Informationsfreiheitsgesetz (IFG) im Nationalrat beschlossen

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