VwGH Judikatur / Auskunftspflicht für Verwaltungsorganisationen und Körperschaften öffentlichen Rechts

Bereits jetzt – vor dem Beschluss und Inkrafttreten eines Informationsfreiheitsgesetzes – hat der VwGH wegweisende Judikatur zur Auskunftsplicht für Verwaltungsorganisationen bei der Besorgung von Verwaltungsaufgaben geschaffen:

Der VwGH hat zum Anwendungsbereich der Art. 20 Abs. 4 B-VG umsetzenden Auskunftspflichtgesetze einen umfassenden Ansatz vertreten; danach knüpft Art. 20 Abs. 4 B-VG mit der Wendung „alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe“ nicht an einen organisatorischen, sondern einen funktionellen Organbegriff an.

Damit werden nicht nur Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften zuzurechnen sind und Verwaltungsaufgaben besorgen, zur Auskunftserteilung nach Art. 20 Abs. 4 B-VG verpflichtet, sondern auch solche, die – ohne organisatorisch in die Verwaltungsorganisation eingegliedert zu sein – mit der „Besorgung von Verwaltungsaufgaben“ betraut sind.

Eine „systematische Reduktion“ des ersten Satzes des Art. 20 Abs. 4 B-VG kommt wegen des erschließbaren Willens des historischen Gesetzgebers nicht in Betracht. Es ist davon auszugehen, dass dann, wenn der einfache Gesetzgeber erkannt hätte, dass er auch für die beliehenen und die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts eine Regelung zu treffen gehabt hätte, er von dieser (durch Analogie anzunehmenden) Kompetenz auch Gebrauch gemacht und – weil Art. 20 Abs. 4 B-VG die größtmögliche Einheitlichkeit der Vorschrift über die Auskunftspflicht zum Ziel hat – für diese die gleichen Regelungen getroffen hätte (vgl. VwGH 12.12.2022, Ro 2021/10/0009VwGH 28.6.2021, Ro 2021/11/0005).

Auch wenn der Fonds Soziales Wien nicht organisatorisch in den Magistrat der Stadt Wien (oder die Wiener Landesregierung) eingegliedert ist, so kommt ihm doch bei der Besorgung von durch das Wr ChancengleichheitG 2010 übertragenen (öffentlichen) Aufgaben – so etwa jener der im Mittelpunkt des Auskunftsbegehren stehenden Leistung des vollbetreuten Wohnens nach § 12 Abs. 2 Wr ChancengleichheitG 2010, auf welche gemäß § 2 Abs. 2 Wr ChancengleichheitG 2010 ein Rechtsanspruch besteht – eine zentrale Rolle zu. Der Fonds Soziales Wien ist – wie § 2 Abs. 1 Wr ChancengleichheitG 2010 ausdrücklich normiert – „Träger der Behindertenhilfe“ in Wien. Ihm ist somit die Besorgung von Verwaltungsaufgaben übertragen, woran nichts zu ändern vermag, dass er dabei als „Träger von Privatrechten“ tätig wird.

Die Auskunftspflicht nach den Auskunftspflichtgesetzen besteht gleichermaßen im Bereich der Hoheitsverwaltung wie in jenem der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038VwGH 12.12.2022, Ro 2021/10/0009). Ausgehend von der Anwendung des Wr AuskunftspflichtG 1988 auf das gegenständliche, an den Fonds Soziales Wien gerichtete Auskunftsbegehren ist dieser allerdings als jenes Organ, an welches Auskunftsbegehren und Antrag auf Bescheiderlassung gerichtet waren, im Fall der Verweigerung einer Auskunft ermächtigt und verpflichtet, einen Bescheid nach § 3 (Abs. 3) Wr AuskunftspflichtG 1988 zu erlassen (vgl. VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026).

Hier geht’s zur Entscheidung des VwGH vom 22.08.2023, Ra 2022/10/0166 …

Siehe auch bereits: VwGH Judikatur / Auskunftspflicht: Grundsatzentscheidungen zum Auskunftsrecht, zur Säumnis und zur Erlangung eines Verweigerungsbescheides

Teilen mit: