Klare gesetzliche Regelung des Disziplinarverfahrens von Richter:innen

Die nunmehr ergangene zweite CCJE-Stellungnahme zum Verwaltungsgericht Wien (VGW) vom 15. Oktober 2025 betrifft neuerlich die zentrale Leitungsfunktion des Präsidenten und wiederholt nochmals die Notwendigkeit zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Justiz insbesondere, dass Präsident:innen von Gerichten gegenüber der Verwaltung (die von den Verwaltungsgerichten kontrolliert werden soll) weisungsfrei zu stellen sind. Als Schwerpunkt beschäftigt sich diese Stellungnahme mit dem Disziplinarverfahren. Auch wenn die Disziplinarverfahren bei allen Verwaltungsgerichten etwas unterschiedlich geregelt sind, so sind die aufgezeigten strukturellen Mängel am VGW auch bei anderen Verwaltungsgerichten aufzufinden. Hervorzuheben sind folgende Punkte:
Disziplinarverfahren gegen Richter:innen bei weisungsgebundenen Präsident:innen
Die weiten Befugnisse des Präsidenten/der Präsidentin und dessen Bindung an Weisungen im Bereich der Justizverwaltung sind auch im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren bedenklich. Sie gefährden die inhärenten Rechte der Richter:innen, unabhängig und unparteiisch zu handeln, und riskieren tatsächliche oder wahrgenommene Einflussnahme und/oder Einmischung durch die Exekutivbehörden. Insbesondere in Disziplinarverfahren gegen Richter:innen, in denen solche Befugnisse direkt oder indirekt durch Weisungen der Exekutive beeinflusst oder als beeinflusst wahrgenommen werden könnten, ist dies problematisch.
Klare gesetzliche Regelungen
Das Gesetz sollte die Gründe, aus denen Disziplinarverfahren gegen Richter:innen eingeleitet werden können, ausdrücklich und so weit wie möglich konkret festlegen. Dabei muss es eine klare transparente Abgrenzung zwischen Dienstbeurteilung und Disziplinarverfahren geben.
Die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK müssen auch im Disziplinarverfahren gegen Richter:innen eingehalten werden und müssen klare Verfahrensregeln definiert werden. Die Gründe für die Einleitung des Disziplinarverfahrens müssen in einer Vorhaltung klar definiert werden, damit der Richter/die Richterin die disziplinarischen Folgen in angemessenem Maß vorhersehen kann. Jeder Missbrauch oder vermeintlicher Missbrauch von Disziplinarverfahren soll vermieden werden. Auch sollte gegen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens dem/der betroffenen Richter:in ein Rechtsbehelf an das Disziplinargericht zur Sicherstellung der richterlichen Unabhängigkeit zustehen.
Rolle des Disziplinaranwaltes/der Disziplinaranwältin
Der Disziplinaranwalt/die Disziplinaranwältin sollte nicht von der Exekutive ernannt werden, da dies mit der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz nicht in Einklang steht. Die Ernennung sollte in jedem Fall mit der Garantie der Unabhängigkeit zur Ausübung des Amtes einhergehen, dh er/sie ist weisungsfrei zu stellen.
Zusammenfassend bedeutet diese zweite Stellungnahme des CCJE, dass auch zum Disziplinarverfahren die entsprechenden gesetzlichen Regelungen evaluiert und diesen CCJE-Empfehlungen entsprechend angepasst werden sollten. Dabei wäre insbesondere zu prüfen, ob Regelungen im Disziplinarverfahren in materieller und formeller Hinsicht klar und nach objektiven Kriterien bestimmt sind und, ob die Stellung und Herkunft des Disziplinaranwaltes/der Disziplinaranwältin den Empfehlungen entsprechen. Zudem wäre auch Problemfelder, die in den CCJE Stellungnahmen nicht aufgegriffen wurden, wie zB die Befangenheiten bei kleinen Gerichtseinheiten zu diskutieren.
Siehe auch: Systemische Mängel beim Disziplinarverfahren gegen Richter:innen des VGW