Markus Thoma, Präsident des Dachverbandes der Verwaltungsrichter:innen, weist im Interview mit dem Standard auf die Notwendigkeit von Reformen zur Reduktion der Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit hin. Dies betreffe insbesondere die Bereiche der Richter:innenernennung, vor allem auch in Leitungsfunktionen sowie der finanziellen Ausstattung und der Besoldung der Richter:innen.
Zur monatelangen Nichtnachbesetzung der Richter:innenstellen am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und deren Verbindung mit anderen politischen Besetzungen, führt Thoma aus, dass es für die vakanten Richter:innenstellen bereits Besetzungsvorschläge von Personalsenaten, die unpolitisch sind, gegeben habe. Man habe diesen Vorschlägen seitens der Regierung offenbar nicht zugestimmt, um bei anderen Personalentscheidungen Druck aufzubauen. Die Richter:innenbestellungen seien gewissermaßen Manövriermasse gewesen; dies sei bedenklich. Die Gerichte sollen als unabhängige staatliche Gewalt nicht politischen Einflüssen unterliegen. Zudem habe de facto die Nichternennung von Richter:innen natürlich Einfluss auf die Funktionsweise der Gerichte. Fälle müssen von anderen Kolleg:innen zusätzlich bearbeitet werden, es komme zu Verzögerungen und Reibungsverlusten, zu einer längeren Verfahrensdauer für die Verfahrensparteien und für den Staat. Das sei ein Kollateralschaden, den man seitens der Politik in Kauf genommen habe.
Angesprochen auf politische Besetzungen bei Leitungsfunktionen der Verwaltungsgerichte wie zB beim BVwG und in Tirol und die Gründe dafür, führt Thoma aus, dass die Verwaltungsgerichte in ihrer heutigen Form erst seit zehn Jahren bestehen. Sie können nicht auf dieselbe Tradition zurückblicken wie Straf- und Zivilgerichte und genießen bei der Politik offenbar noch nicht denselben Respekt. Dazu komme, dass es ihre Aufgabe sei, die politische Verwaltung zu kontrollieren. Der Einfluss der Politik auf diese sei daher besonders interessant. Dies erfolge entweder über die finanziellen Ressourcen oder über das Ernennungsrecht. Probleme gebe es vor allem bei der Ernennung der Präsident:innen und Vizepräsident:innen der Verwaltungsgerichte. Da liege die Entscheidung derzeit im Wesentlichen bei den Landesregierungen bzw. der Bundesregierung. Als Reformbedarf führt Thoma aus, dass die Ernennungen unter der Einbindung richterlicher Gremien erfolgen sollten; das schlage auch der „Rule of Law“-Report der EU Kommission vor. Am Ende des Tages sollte die Politik in die Richter:innenbestellungen gar nicht mehr eingebunden sein, so wie das in den meisten europäischen Ländern längst Standard sei. Außerdem brauche es für unterlegene Kandidat:innen einen ordentlichen Rechtsschutz. Derzeit können diskriminierte Kandidaten theoretisch zwar Schadenersatz verlangen, an der Personalentscheidung selbst ändere das aber nichts.
Angesprochen auf die Studie aus der Anwaltschaft, die zum Ergebnis komme, dass Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Vergleich zu jenen von Zivilgerichten öfter von den oberen Instanzen korrigiert werden müssen, führt Thoma aus, dass hier Zivil- und Verwaltungsgerichte nicht vergleichbar seien, weil die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Gerichtsinstanz weniger habe. Oft müssen die Verwaltungsgerichte mit Behördenentscheidungen arbeiten, deren Begründung mangelhaft sei. Diese Arbeit werde dann von den Gerichten nachgeholt.
Das Ausbildungssystem der Verwaltungsrichter:innen habe sich stark verbessert. Die Ausbildung sei an jene der Straf- und Zivilrichter:innen angeglichen worden, aber eine Durchlässigkeit zwischen den Berufsgruppen bestehe nach wie vor nicht. Betont wird, dass grundsätzlich alle Richter:innen die Unabhängigkeit leben. Eine gewisse Gefahr gebe es, wenn Leute zurück in die Verwaltung wechseln wollen, weil sie dort mehr verdienen. Das bringe sie in Abhängigkeiten.
Zum Schluss des Interviews mahnt er unter Hinweis auf ein Zitat des preußischen Justizministers Adolf Leonhardt von vor fast 150 Jahren: „Solange ich über die Beförderungen bestimme, bin ich gerne bereit, den Richtern ihre sogenannte Unabhängigkeit zu konzedieren“ und fordert eine Verbesserung der Besoldung der Richter:innen.