An manchen Landesverwaltungsgerichten wurde von dem/der Präsidenten/Präsidentin ein Entwurf eines „Verhaltenskodex für Gerichtsangehörige“ an die jeweiligen Richter:innen versendet, in dem Regeln über das Verhalten von Richter:innen aufgestellt werden. Dieser Entwurf ist nicht von der Richterschaft mitgetragen, ausgearbeitet oder beschlossen worden. Auch ist die Standesvertretung nicht einbezogen worden. Aus diesem Anlass sieht sich der Dachverband der Verwaltungsrichter:innen veranlasst, dazu eine Stellungnahme abzugeben und lehnt die Aufstellung von zusätzlichen Verhaltensregeln für Richter:innen ohne gesetzliche Grundlage und entgegen Europäischen Standards ab.
Unter Hinweis auf die Op. Nr. 3 des CCJE (Consultative Council of European Judges – Beirat der Europäischen Richter:innen) wird betont, dass, um die richterliche Unabhängigkeit mit dem nötigen Schutz zu versehen, sich jede Stellungnahme über berufliche Verhaltensstandards u.a. darauf gründen sollte, dass solche Verhaltensregeln von den Richter:innen selbst entworfen werden; sie sollten von der Richterschaft selbst verfasste, selbstregulierende Instrumente sein, die den Dienst- und Disziplinarbehörden zu einer Legitimitätsgrundlage verhelfen, indem sie innerhalb generell anerkannter ethischer Standards operieren.
Solche von Richter:innen selbst verfasste ethische Grundsätze gibt es bereits, die von den verschiedenen Standesvertretungen ausgearbeitet und von den Mitgliedern in den dazu vorgesehenen Gremien beschlossen wurden.
Abgesehen davon begegnen Ethik- oder Verhaltenskodizes folgenden Bedenken:
Werden solche Verhaltensregeln von der monokratischen Justizverwaltung erlassen, werfen sie die Frage auf, ob oder inwiefern solche – nach dem innerstaatlichen Stufenbau der Rechtsordnung als Weisung zu qualifizierende – Anordnungen eine Pflicht zur Befolgung auslösen oder Richter:innen in Dienstrechten verletzen; eine abschließende Klärung könnte erst in Dienstrechtsverfahren erzielt werden.
Sollten solche Regeln darauf abzielen, das Verhalten von Richter:innen sanktionsbewehrt, also für den Fall der Zuwiderhandlung mit Disziplinarstrafe bedroht, zu bestimmen, stellt sich die Frage der Beachtlichkeit und Verbindlichkeit solcher Erlässe für Disziplinargerichte.
Im Übrigen sieht die Verfassung weder für die monokratische noch für die kollegiale Justizverwaltung eine Zuständigkeit zur Erlassung solcher Regeln vor. Es bliebe daher bei der oben zitierten Empfehlung des CCJE, dass solche Kodizes nur von der Gesamtheit der betroffenen Richter:innen selbst formuliert und beschlossen werden.
Beinhalten solche Verhaltenskodizes Vorgaben, die die richterliche Tätigkeit regeln, so greifen diese unmittelbar in die Unabhängigkeit der Richter:innen in Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit ein.
Regelungen von Verhalten nicht nur in der Funktion als Richter:in und am Gericht, sondern auch außerhalb der richterlichen Tätigkeit einschließlich außerberuflicher Aktivitäten können zur Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte führen, die – wie für alle Menschen – auch für Richter:innen gelten. Es muss auch Richter:innen frei stehen, außerberufliche Aktivitäten ihrer Wahl nachzugehen und ihrer Meinungsäußerungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit sowie der Teilnahme an Vereinigungen nachkommen zu können. Keinesfalls darf die Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit von Richter:innen derart eingeschränkt werde, dass die Äußerung sachlicher Kritik, eine Mitgliedschaft oder aktive Tätigkeit bei Interessensvertretungen und ein allgemeiner Austausch unter Richter:innen in Frage gestellt wird.
Zudem bleibt die Frage offen, wem die Beurteilung obliegt, ob ein Verhalten einem Kodex entspricht. Nach den Vorgaben des CCJE sollen solche Gremien von Interessensvereinigungen eingerichtet werden.
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Hier geht es zu den Ethischen Grundsätzen der Verwltungsrichter:innen, die in der Vollversammlung der VRV am 04.05.2023 beschlossen wurden …