VfGH: Keine generelle sachliche Zuständigkeit der LVwG bei Richtlinienbeschwerden

Über Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien entschied der VfGH in seinem Erkenntnis vom 28.02.2024, G533/2023 ua., dass die generelle sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte zur Entscheidung über Richtlinienbeschwerden betreffend das Verhalten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegen kompetenzrechtliche Vorgaben verstößt. Die Zuständigkeit für Richtlinienbeschwerden, wenn Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, liegt vielmehr beim Bundesverwaltungsgericht.

Der VfGH hob dementsprechend die Bestimmung des § 89 Abs. 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) idF BGBl. I 161/2013 mit Ablauf des 31.08.2025 auf.

Bei der Richtlinienbeschwerde handelt es sich um eine Beschwerde wegen eines typenfreien Verwaltungshandelns. Als Beschwerde nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG unterfällt sie der Sonderregel des Abs. 6 des Art. 131 B-VG. Für die Entscheidung über eine Verhaltensbeschwerde ist – im Sinne einer „akzessorischen Zuständigkeit“ als maßgebliches Anknüpfungskriterium gemäß Art. 131 Abs. 6 erster Satz B-VG – jenes Verwaltungsgericht zuständig, das in der jeweiligen Angelegenheit über Beschwerden gegen die bestehenden Haupttypen des Verwaltungshandelns entscheidet. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, dann greift die Generalklausel gemäß Art. 131 Abs. 6 zweiter Satz B-VG, die eine subsidiäre Zuständigkeit zugunsten der Landesverwaltungsgerichte vorsieht.

Die Zuständigkeit verläuft somit grundsätzlich parallel zu jener für die typengebundenen Verfahren in der betreffenden Angelegenheit. Damit sollten nach der Zielsetzung des Verfassungsgesetzgebers geteilte Zuständigkeiten in ein und derselben (kompetenzrechtlichen) Angelegenheit zwischen den Verwaltungsgerichten der Länder und des Bundes vermieden werden.

Grundsätzlich fallen in den Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung die Haupttypen des Verwaltungshandelns unter die Generalklausel des Art. 131 Abs 1 B-VG und damit in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder, weil die Sicherheitsverwaltung weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird. Dieser Zuständigkeit folgt die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Beschwerde wegen behaupteten Fehlverhaltens eines Organs nach § 5 SPG in Ausübung der Sicherheitspolizei im Bereich der Sicherheitsverwaltung schlechthin. Das Vollzugsmodell der Sicherheitsverwaltung sieht jedoch für deren Besorgung in einzelnen Rechtsmaterien auch Bundesbehörden vor, die nicht zu den Sicherheitsbehörden iSd B-VG zählen. Die Vollziehung der Angelegenheiten des BFA-VG sowie des 7., 8. und 11. Hauptstückes des FPG wurde etwa dem BFA und somit einer Bundesbehörde übertragen. Diese Agenden werden in unmittelbarer Bundesverwaltung gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG besorgt.

Im Falle einer Richtlinienbeschwerde wäre bei einem „Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Ausübung der Fremdenpolizei […] in Anwendung dieses Systems, da diese von Bundesbehörden vollzogen wird, gemäß Rückverweisung auf Art. 131 Abs. 2 B-VG das Verwaltungsgericht des Bundes zuständig“ (VfSlg 19.986/2015).

Daraus folgt, dass eine in § 89 Abs. 4 SPG ausdrücklich normierte alleinige generelle sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte zur Entscheidung über Richtlinienbeschwerden – etwa bei der Überprüfung eines etwaigen Fehlverhaltens in Ausübung der Fremdenpolizei – der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art 131 B-VG widerspricht, weil sie den bestehenden Sondermodellen im Bereich der Sicherheitsverwaltung nicht gerecht wird.

Hier geht’s zur Entscheidung des VfGH vom 28.02.2024, G533/2023, V337/2023 …

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