Studienreise Tirana: Verwaltungsgerichtsbarkeit in Albanien (Teil 2)

Am zweiten Tag der Studienreise fand die Tagung zum Thema Verwaltungsgerichtsbarkeit in Albanien und Österreich erneut mit der Unterstützung der OSCE und Mitwirkung von Justizrat und den verschiedenen Verwaltungsgerichten statt. In den zahlreichen Eröffnungsworten wurde ua. von Clarissa Pasztory, die Leiterin der albanischen OSCE Niederlassung, betont, dass gerade den Verwaltungsrichter:innen eine besondere Rolle zukommt, um Korruption in Albanien vorzubeugen. Daher sollte man die Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht unterschätzen, gerade um auch in einem Land wie Albanien den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen.

Eine besondere Herausforderung in Albanien sind die enorm hohen Aktenrückstände und wird in diesem Zusammenhang auch versucht, digitale Lösungen zu implementieren, die den Aktenzulauf reduzieren sollen, wie der Präsident des Verwaltungsberufungsgerichtes Ardian Dvorani betont. Defizite in der Verwaltung haben in Albanien dazu geführt, dass weiterhin zunehmend sehr viele Fälle vor den Verwaltungsgerichten anhängig gemacht werden, zudem ist auch die Zahl der anhängigen Berufungen beachtlich und ist kaum von der geringen Anzahl an Richter:nnen bewältigbar. Deshalb soll nun auch künstliche Intelligenz die Richter:innen unterstützen. Online-Dienste sollen für schnellere Auskünfte für die Bürger:innen sorgen, wie der Vorsitzenden des Justizrates Ilir Rusi erläutert. Der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes Ilir Panda betont auch die Wichtigkeit des technischen Fortschrittes insbesondere auch für die Transparenz, sieht aber auch im persönlichen Austausch einen ganz besonderen Wert.

Georg Stawa, Berater für Südosteuropa an der Österreichischen Botschaft, führte aus, dass künstliche Intelligenz dazu verwendet werden kann, um die Entscheidungen transparenter und auch für den Bürger verständlicher zu machen. Er wirft auf, dass das Rechtsprechungsmonopol der Richter:innen aufgrund der zahlreichen digitalen Streitbeilegungssysteme, die es bereits gibt, nicht mehr besteht und dass viele jüngere Leute schon heute versuchen, ihre Rechtsfragen über digitale Plattformen zu lösen. Um der Gesellschaft die Bedeutung der unabhängigen Rechtsprechung näher zu bringen, wird es einerseits erforderlich sein, entsprechend rasche Lösungen anzubieten. Er verweist dabei auf das in Slowenien implementierte KI System für die Gerichtsbarkeit. Dort wurde ein eigenes geschlossenes System entwickelt, das als Entscheidungshilfe für die Richter:innen dient, wo aber auch angedacht wird, dieses der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Andererseits ist es dringend notwendig, den Bürger:innen den Wert einer unabhängigen Justiz näher zu bringen.

Im weiteren Verlauf wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit in beiden Ländern dargestellt. In Albanien gibt es seit der Reform zwei Verwaltungsgerichte erster Instanz, eines in Tirana und eines in Lushnja, sowie ein Verwaltungsberufungsgericht und ein Höchstgericht in Tirana. Herausfordernd ist die Klärung der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Abgrenzung zur Zivilgerichtsbarkeit; diesbezüglich sind nach wie vor viele Fälle seit der Justizreform nicht geklärt.

Im Zuge des Austausches wurde auch klargestellt, dass Albanien über keine KI-Ministerin verfügt, wie dies in Medien kolportiert wird, sondern dass vielmehr das Vergabeverfahren durch eine künstliche Intelligenz namens „Diella“ durchgeführt und ein Entscheidungsvorschlag erstattet wird. Mit dieser Lösung soll garantiert werden, dass es keine Korruption bei der staatlichen Auftragsvergabe gibt. Verantwortlich bleibt der für diese Materie zuständige Minister.

Abschließend wurde das Umweltrecht in Österreich und die Bedeutung der KI in der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf europäischer Ebene beleuchtet und deren besondere Herausforderung dargestellt.

Insgesamt ein sehr interessanter Austausch, der gezeigt hat, dass man gegenseitig durchaus von den unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten in den verschiedenen Justizsystemen lernen und profitieren kann.

Hier geht es zum Teil 1 der Studienreise Tirana: Auf dem Weg zum Beitritt zur Europäischen Union

Siehe auch: Austrian and Albanian judges exchange experiences on administrative justice with OSCE Presence’s support

Teilen mit: