Studienreise Tirana: Auf dem Weg zum Beitritt zur Europäischen Union (Teil 1)

Die heurige Studienreise führte die VRV nach Albanien. Ein Land, das sichtlich bei der Erfüllung der Werte der Rechtsstaatlichkeit bemüht ist, auch um das Ziel des Beitritts zur Europäischen Union im Jahr 2030 zu erreichen. Unterstützt wurde dieser Austausch von der OSCE, deren Aktivität in Albanien ua. die Korruptionsbekämpfung, der Schutz der Menschenrechte und die Justizreform umfasst.

Ab dem Jahr 2013 wurde in Albanien eine Justizreform durchgeführt, bei der auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit neu geregelt und als eigene Gerichtsbarkeit, nicht mehr als Sondergerichtsbarkeit in den Zivilgerichten, geschaffen wurde. Die bereits ernannten albanischen Verwaltungsrichter:innen mussten sich im Zuge der Reform einer kontinuierlichen Re-evaluierung („Vetting“) innerhalb eines Zeitrahmens von drei Jahren (2013 – 2016) unterziehen. Das „Vetting“ wurde mit EU-Beteilung durchgeführt und umfasste eine umfassende Kontrolle der Richter:innen und Staatsanwält:innen in Bezug auf Korruption. Dabei wurde das Vermögen der Richter:innen und Staatsanwält:innen geprüft, ihre Verbindungen zur organisierten Kriminalität und schließlich ihrer Arbeit und ihrer beruflichen Fähigkeiten bewertet. Rund 60% der Richter:innen haben diese Prüfung nicht bestanden und liegt es an den verbliebenen nun, die sehr hohen Rückstände aufzuarbeiten und gleichzeitig die zunehmenden neuen Akteneingänge zu bewältigen. Mit der Verfassungsreform 2016 wurden zudem eine Sonderbehörde und Sondergerichte (SPAK Court of First Instance, Special Court of Appeal) als besonderes effiziente und wichtige Einrichtungen gegen Korruption geschaffen.

Am ersten Tag der Studienreise wurde die Delegation aus Österreich vom Präsidenten des Verwaltungsberufungsgerichtes Ardian Dvorani empfangen. Es konnte bei einer vorbereitenden öffentlichen mündlichen Verhandlung zugehört werden, die der Klärung diente, ob eine Fläche für die Errichtung einer Photovoltaikanlage in einer Gemeinde tatsächlich geeignet ist.

Danach wurden die österreichischen Richter:innen vom gesamten Justizrat unter dem Vorsitz von Ilir Rusi empfangen. Der Justizrat ist eine von der Politik unabhängige staatliche Behörde in Albanien. Er besteht aus Vertreter:innen der Richterschaft, der Wissenschaft und der Anwaltschaft. Ein gesetzlich geregeltes Auswahlverfahren bestimmt, wie man Mitglied des Justizrates wird. Die Mitgliedschaft ist auf fünf Jahre befristet. Es ist auch gesetzlich sichergestellt, dass es zu keinen Blockaden bei der Nachbesetzung kommen kann. Der Justizrat ist zuständig für die Auswahl der Richter:innen, ihre Karriereentwicklung einschließlich der Evaluierung und für das Disziplinarrecht. Einer der vier bestehenden Kommissionen obliegen die finanzielle Angelegenheiten, wobei der Justizrat zur Stärkung der Unabhängigkeit über ein eigenes Budget verfügt, das vom Parlament beschlossen wird.

Um die fundierte Ausbildung der Richter:innen sicherzustellen, gibt es in Albanien eine Justizschule, die man nach dreijähriger Berufserfahrung zB als Anwalt besuchen kann; nur wer die Justizschule absolviert, kann auch tatsächlich zum Richter/zur Richterin ernannt werden. Die Ausbildung dauert drei Jahre; das erste Jahr ist geprägt vom Theorieunterricht, im zweiten Jahr ist man dann schon in der Praxis an einem Gericht tätig und im dritten Jahr führt man die Tätigkeit eines Richters/einer Richterin unter Anleitung eines Ausbildungsrichters/einer Ausbildungsrichterin aus.

Den Abschluss des ersten Tages der Studienreise bildete der Besuch bei der österreichischen Botschafterin in Tirana Monika Zach und dem Stellvertretenden Missionsleiter Martin Schaller an der Residenz der Botschafterin. Die gewonnenen Eindrücke konnten dort diskutiert und offene Fragestellungen erläutert werden.

Dass in Albanien schon wichtige Reformen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit getroffen wurden, kam deutlich zum Vorschein und bestand auch großes Interesse, wie Rechtsstaatlichkeit in Österreich in der Praxis gelebt wird.

Hier geht es zum Teil 2 der Studienreise Tirana: Verwaltungsgerichtsbarkeit in Albanien

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