
Das 30. Maiforum zum Thema „der/die Verwaltungsrichter:in im Spannungsfeld zwischen unabhängiger Rechtsprechung und disziplinarrechtlicher Verantwortung“ brachte spannende Einblicke in strukturelle Schwachstellen und praktische Fragestellungen in diesem Zusammenhang. Die Edmundsburg in Salzburg hat dieser Veranstaltung einen besonderen Rahmen geboten, die in diesem Jahr von der Vereinigung der Finanzrichter und Finanzrichterinnen organisiert wurde.
In den Grußworten betonte die Präsidentin des Salzburger Landtages Brigitta Pallauf die Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit und mahnte davor, das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit durch unsachliche Anfeindungen, wie sie derzeit häufig in sozialen Medien passiere, nicht zu zerstören.
Der Präsident des Dachverbandes der Verwaltungsrichter:innen Markus Thoma strich die Bedeutung der Opinion Nr. 27 des CCJE (Beirat der Europäischen Richterinnen und Richter) hervor, die die Grundsätze für das Disziplinarverfahren von Richter:innen vorgibt. Insbesondere ist auf die notwendigen Garantien zum Schutz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der am Disziplinarverfahren beteiligten Organe hinzuweisen; auch die Ermittlungsinstanz soll frei von politischer Einflussnahme sein (Rd. 13, 17 und 19 der Opinion Nr. 27). Er betont die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 15762/2000[1] mit dem Hinweis auf die Gefahr der Umkehrung der Kontrollrichtung bei Eingriffsmöglichkeiten der kontrollierten Organe.
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur richterlichen Unabhängigkeit
Elisabeth Nussbaumer-Hinterauer, Senatspräsidentin des VwGH, führte anhand von Leitentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs die Eckpfeiler zur richterlichen Unabhängigkeit aus. Sie wies auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (05.12.2023, Ro 2022/12/0029 ) zur Unwirksamkeit einer Weisung des Präsidenten eines Verwaltungsgerichtes an, die die Ausübung des richterlichen Amtes iSd Art. 87 Abs. 1 B-VG (Einhaltung einer von der Volksanwaltschaft geforderten Rechtsprechung) betraf. Der Präsident war unzuständig zur Erteilung einer solchen Weisung, da die Weisung von einem Organ stammt, das dem Weisungsempfänger bei der Ausübung der Rechtsprechung nicht „vorgesetzt“ iSd Art. 20 Abs. 1 B-VG ist.
In der Entscheidung vom 28.09.2023, Ra 2022/12/0064, im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer geringfügigen Nebenbeschäftigung (Vortragstätigkeit im Ausmaß von 12 Stunden im Jahr) trotz vieler offener Altverfahren stellte der VwGH fest, dass die Setzung von Prioritäten bei der Bearbeitung von Akten im Kernbereich der Rechtsprechung liegt und nicht von der monokratischen Justizverwaltung zu beurteilen ist. Gemäß § 63 Abs. 2 RStDG ist dem Richter/der Richterin die Ausübung von Nebenbeschäftigungen zu untersagen, soweit das zeitliche Ausmaß oder die Zeit (der Zeitraum) der Ausübung eine Behinderung bei der Erfüllung der Dienstpflichten mit sich bringen könnte. Die Frage, ob allenfalls eine Dienstpflichtverletzung begangen wurde, weil bestimmte Verfahren vom Richter nicht in angemessener Frist erledigt wurden, wäre – unter Wahrung der (insbesondere in Art. 87 Abs. 1 B-VG zum Ausdruck kommenden) verfassungsrechtlichen Garantie der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes – im Disziplinarverfahren durch das Disziplinargericht zu klären.
Im dritten von der Vortragenden ausgeführten Erkenntnis vom 18.02.2015, Ro 2014/12/0043, VwSlg. 19050 A/2015, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Frage, ob im Kernbereich der Rechtsprechung begründete dienstliche Interessen an der Nichtinanspruchnahme von Erholungsurlaub durch einen Richter/einer Richterin in einem bestimmten Zeitraum vorliegen, nicht von der monokratischen Justizverwaltung zu beurteilen ist, sondern selbst eine Angelegenheit der Rechtsprechung bildet. Dies gilt insbesondere für die Anberaumung von Verhandlungen, nichtöffentlichen Senatssitzungen, die Setzung von Prioritäten bei der Bearbeitung von Akten uä. Die einseitige Anordnung von Erholungsurlaub ist unzulässig, da andernfalls der Dienstvorgesetzte Einfluss darauf nehmen könnte, wann und in welcher personellen Besetzung Rechtssachen verhandelt, beraten und entschieden werden. Die Festlegung „dienstlicher Interessen“ im Verständnis des § 73 zweiter Satz RStDG, welche aus der Rechtsprechungstätigkeit des Richters/der Richterin resultieren, obliegt dem Richter/der Richterin selbst und unterliegt – jedenfalls dann, wenn dieser dabei nicht willkürlich vorgeht – keiner nachprüfenden Kontrolle durch die Dienstbehörde.
Hier geht es zum Vortag der Senatspräsidentin ….
[1] Aufhebung der die Weisungsgebundenheit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber dem Bundeskanzler begründenden Vorschrift des VwGG betreffend Personalangelegenheiten wegen Widerspruchs zum verfassungsmäßig festgelegten Kontrollsystem des B-VG bezüglich der gesamten öffentlichen Verwaltung: „Ein derartiges verfassungsmäßig (bereits zum Zeitpunkt der (inhaltlichen) Erlassung des § 18 VwGG) vorgegebenes Kontrollsystem erlaubt keinen wie immer gearteten effektiven Eingriff des kontrollierten Organs in die Funktion des Kontrollierenden; eine solche Annahme bedeutete nämlich geradezu eine Umkehrung der Kontrollrichtung und erwiese sich als schlechthin systemwidrig.“