30. Maiforum (Teil 3) – Unabhängige Rechtsprechung versus disziplinarrechtliche Verantwortung

In der Podiumsdiskussion wurde das Thema „Unabhängige Rechtsprechung versus disziplinarrechtliche Verantwortung“ näher beleuchtet. Dabei wurden einerseits strukturelle Schwächen dargelegt, als auch einzelne Beispiele die den Anschein einer Einflussnahme darstellen könnten, offengelegt.

Vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Georg Kodek, wurde betont, dass man das Mittel des Disziplinarrechts „extrem behutsam“ und zurückhaltend einsetzen müsse. Ein besonderes Fingerspitzengefühl und große Umsicht sei bei der Anwendung des Disziplinarrechtes erforderlich. Dabei sei es jedenfalls nicht Aufgabe des Präsidenten/der Präsidentin, einem Richter/einer Richterin die eigene Meinung aufzuerlegen. In der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit gebe es bei 1.700 Richter:innen ca. im Schnitt pro Jahr 4 Disziplinarverfahren. Bei diesen Verfahren sei es nie um eine Einflussnahme auf die Rechtsprechung gegangen, sondern um das standesgemäße oder außerdienstliche Verhalten des Richters/der Richterin oder Rückstände.

Der Disziplinaranwalt am Bundesfinanzgericht, Hans Blasina, verwies auf die Inhomogenität des Disziplinarrechtes in der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, betonte aber, dass es grundsätzlich keine speziellen Probleme mit Disziplinarverfahren in der Finanzgerichtsbarkeit gebe. Wie viele Disziplinarverfahren es in der Verwaltungsgerichtsbarkeit tatsächlich gebe, sei nicht transparent dargestellt, es sei aber keine große Anzahl.

Dies wurde auch von Martin Riedl, Rechtsanwalt spezialisiert auf Beamtendienst- und Disziplinarrecht, betont. Aus seiner Sicht habe sich die Situation seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit wesentlich verbessert und sei keine Einflussnahme auf Richter:innen erkennbar.

Edith Zeller, ehemalige Präsidentin der Europäischen Verwaltungsrichter:innen-Vereinigung (AEAJ), betonte, dass der äußere Anschein der Unabhängigkeit wichtig sei und es keinen Zweifel daran geben dürfe; dh auch der reine Anschein einer Einflussnahme sei unzulässig. Es gebe viele Kleinigkeiten in der Struktur der Organisation des Disziplinarrechtes, die einzeln betrachtet unwesentlich erscheinen, in ihrer Summe aber doch den Anschein der Unabhängigkeit schwächen können. Sie verwies auf andere Länder, wo insbesondere durch vorrauseilenden Gehorsam – ohne dass es einer direkten Einflussnahme oder Weisung bedürfe – die Exekutive zu ihrem gewünschten Ergebnis komme. Insgesamt sei die Situation in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich, in vielen gebe es einen Justizrat, wobei auch dieser nicht überall garantiere, dass die Unabhängigkeit gewahrt werde. Wichtig sei, dass die europäischen Standards, wie sie in der Opinion Nr. 27 des CCJE beschrieben werden, auch eingehalten werden.

In der Diskussion mit dem Publikum wurde insbesondere vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien Dieter Kolonovits kritisiert, dass es kein Rechtsmittel gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens gebe. Die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg Claudia Jindra-Feichtner führte aus, dass es beim LVwG Salzburg einen eigenen von ihr ernannte Disziplinaranwalt gebe und das Disziplinarverfahren im eigenen Haus mit einem eigenen richterlichen Gremium durchgeführt werde.

Edith Zeller bestätigte, dass die Situation bei den Landesverwaltungsgerichten sehr unterschiedlich ist. Der Disziplinaranwalt/die Disziplinaranwältin wird in allen Ländern – bis auf Salzburg – von der Landesregierung bestellt, nur in Wien ist diese:r auch weisungsfrei gestellt. Als Disziplinargericht fungiert nur in Wien und Burgenland das Bundesverwaltungsgericht, in den anderen Ländern wird dies im eigenen Haus durch eigene richterliche Senate/Ausschüsse behandelt. Beim Bundesverwaltungsgericht ist das Disziplinargericht das Bundesfinanzgericht und beim Bundesfinanzgericht das Bundesverwaltungsgericht.

Als Abschluss der Veranstaltung wurde vom Landeshauptmann zu einem Buffet geladen und konnte dort das Thema weiter verfolgt und diskutiert werden.

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