
Der Vorsitzende des Disziplinarsenates am Bundesverwaltungsgericht, Gregor Ernstbrunner, legte zunächst dar, dass Bestimmungen für die Dienstaufsicht bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Unterschied zur Zivil- und Strafgerichtsbarkeit fehlen. Er umriss einen weiten Bogen an Problemstellungen und Beispielen für strukturelle Schwächen im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren und der Unabhängigkeit der Richterinnen. Viele offene Fragestellungen und ein Mangel an gesetzlichen Regelungen führen zu Unsicherheiten, wie z.B. ab wann eine verspätete Krank- bzw. Gesundmeldungen disziplinär sein kann. Die Notwendigkeit ausreichender Ressourcen und der gleichmäßigen Verteilung und Zurverfügungstellung ist auch immer wieder Thema und sei es unzulässig, hier erhebliche Unterschiede zu machen. Er betont in diesem Zusammenhang die (Mit-)Verantwortlichkeiten für die rückstandsfreie Führung einer Gerichtsabteilung bzw. des ganzen Gerichtsbetriebs, die neben der Gerichtsabteilung und der Geschäftsverteilung auch den (jeweiligen) Gesetzgeber im Sinne einer Zurverfügungstellung ausreichender Ressourcen für die Erfüllung der justiziellen Staatsaufgaben innerhalb angemessener Zeit einschließt.
Eine der Bedeutung der richterlichen Funktion entsprechende Vergütung sei eine wesentliche Garantie für die richterliche Unabhängigkeit, jedoch können Bezugskürzungen zum Defizitabbau zulässig sein. Vorgaben bei der äußeren Form von Entscheidungen oder die Vorschriften zum Tragen einer angemessenen Dienstbekleidung greifen nach der Judikatur nicht in das Judizium ein. In die Unabhängigkeit könne aber sehr wohl eingegriffen werden im Falle einer Untersuchung des Richterdienstzimmers, bei einer Dienstbeschreibung oder der Verweigerung der Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson im Rahmen von Disziplinarverfahren. Er betonte, dass in eine Dienstbeurteilung nichts einbezogen werden dürfe, was nur vom „Hörensagen“ erzählt werde.
Politisch motivierte Einflussnahme auf die Postenbesetzung – auch in Bezug auf richterliche Ämter – sei bedenklich, wie dies auch in Art IX der Welser Erklärung festgehalten werde, dass parteipolitische Tätigkeiten der Glaubwürdigkeit der unabhängigen Gerichtsbarkeit schaden können. Ernstbrunner argumentiert auch, dass ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses zu überlegen sei, weil dies einer Verwendungsänderung gleichkommen könne, wenn andere Materien und das Ausmaß anders zugeteilt werde. Die Reihenfolge der Abarbeitung der Fälle liege jedoch jedenfalls im Ermessen des Richters/der Richterin, auch wenn er sich dazu präzisere Revisionen und somit eine klarere Judikaturlinie wünsche.
Ein Auftrag, eine bestimmte Rechtssache vorzuziehen, sei unzulässig, der Auftrag, den Akteneingang unter Hinweis auf die Dienstaufsicht jedoch möglich und auf bloße Formalaspekte reduzierbar. Diese Fälle seien offenkundig der richterlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit zuzuordnen, jedoch nicht vor disziplinarrechtlichen Sanktionen geschützt. Der Maßstab für disziplinäres Verhalten im Rahmen des Judizium müsse jedenfalls zumindest wiederholte grobe Fahrlässigkeit sein, wenn also bewusst und wiederholt Prinzipien der ständigen Rechtsprechung missachtet werden. Unter diesen Gesichtspunkten könne etwa die missbräuchliche Ausübung richterlichen Ermessens, das bewusste Abweichen von bewährten Rechtsgrundsätzen oder eine wiederholt grob fahrlässige Missachtung gesetzlicher Bestimmungen eine Amtspflichtverletzung im Sinn der §§ 57 Abs. 1, 101 Abs 1 RStDG begründen. Bei Rückständen und Erledigungen sei nicht nur die Anzahl der offenen und erledigten Akten relevant, was in der Praxis des „Controlling“ oft übersehen werde.
Markus Thoma führte in der anschließenden Diskussion aus, dass Berichtspflichten nur für vergangene Zeiträume zulässig seien und nicht für zukünftige Tätigkeiten oder Erledigungen.