
Senatspräsident Lehofer hat in einem Workshop am Landesverwaltungsgericht Kärnten ein Update zu verfahrensrechtlichen Fragestellungen gegeben. Der besondere Mehrwert des Besuchs dieses Spezialseminars für Verwaltungsrichter:innen war, dass ganz konkrete Problemfelder im Verfahren aufgeworfen und diskutiert werden konnten. Denn wie die tägliche Praxis – auch aus Sicht von erfahrenen Verwaltungsrichter:innen – zeigt, gibt es trotz umfangreicher Judikatur doch immer wieder besondere Herausforderungen im Einzelfall, die eine Umsetzung der Rechtsprechung auf einen konkreten Sachverhalt schwierig erscheinen lassen.
Sache des Verfahrens
Gerade bei der Abgrenzung „der Sache des Verfahrens“ kommen besondere Fragenstellungen hervor, wie ua. bei zeitraumbezogenen Leistungen oder Ansprüchen (zB Müllgebühr für März/April 2024); hier ist nur dieser im Bescheidspruch festgelegte Entscheidungszeitraum relevant. Bei sogenannten Dauerleistungen wie zB der laufenden Sozialhilfe endet die Sache jedoch nicht mit dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, sondern umfasst die Sache vor dem Verwaltungsgericht auch den Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, außer die Sach- und/oder Rechtslage hat sich seit der Erlassung des Bescheides geändert. Anders wäre wiederum „die Sache“ zu sehen, wenn es beispielsweise um Sanktionen für einen bestimmten Zeitraum (Verlust des Arbeitslosengeldes) geht. Hier ist „Sache“ der Tatbestand, der zum Anspruchsverlust führt, der Zeitraum des Entzugs ist lediglich die Rechtsfolge und veränderbar. Bei Prognoseentscheidungen wie zB im Zusammenhang mit der Dienstunfähigkeit oder im Waffengesetz hat das Verwaltungsgericht diese Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung zu treffen und nicht bloß jene der Behörde – zum damaligen Zeitpunkt – zu prüfen.
Viele weitere Beispiele haben gezeigt, dass es nicht immer einfach ist, „die Sache des Verwaltungsverfahrens“ abzustecken und danach seine Prüfung auszurichten, insbesondere, wenn bei teilbaren Ansprüchen nur ein Teil in Beschwerde gezogen wurde und sich nach der Behördenentscheidung Änderungen ergeben, die aber – weil in Rechtskraft erwachsen – unbeachtet zu bleiben haben. So hat nach einer Strafbeschwerde auch eine Bestrafung zu erfolgen, mögen auch nachträglich Doppelbestrafung oder sonstige den Schuldausspruch betreffende Umstände hervorgekommen sein.
Befangenheit
Weiters diskutiertes Thema war die Befangenheit, die nicht nur den Richter/die Richterin treffen kann, sondern auch den Sachverständigen. Gerade bei Amtssachverständigen ist darauf zu achten, dass diese nicht auch die Rolle der belangten Behörde übernehmen, dies wäre klar eine Befangenheit.
Von den zahlreich durchgespielten Beispielen ist besonders hervorzuheben, dass eine (schriftliche) Vorbereitung des Richters/der Richterin für die Verkündung in der mündlichen Verhandlung keinen Befangenheitsgrund darstellt, sofern erkennbar ist, dass man das Ergebnis der Beweisaufnahme noch miteinbezieht und nicht voreingenommen ist. Auch die Äußerung einer vorläufigen Rechtsansicht nach der Beweisaufnahme in der Verhandlung ist zulässig, um auch den Parteien die Möglichkeit zu geben, entsprechend zu disponieren oder gegebenenfalls andere Argumente noch zu liefern.