
Nach Sintra, ca. 35 km westlich von Lissabon gelegen, führte uns der erste Tag der Studienreise. Dabei konnten wir sowohl die Kulturlandschaft Sintra als Weltkulturerbe der UNESCO durch den Besuch seiner jahrhundertealten Paläste (Palacio Nacional de Sintra und Palacio Nacional da Pena) als auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit kennenlernen. Die portugiesische Verwaltungsgerichtsbarkeit gliedert sich in drei Instanzen, wobei in erster Ebene 17 Verwaltungsgerichte – davon eines in Sintra – eingerichtet sind. Der besondere Schutz der Landschaft ist des Öfteren Gegenstand von Verfahren am Verwaltungsgericht Sintra, welches sich als besonders modernes Gericht auszeichnet. Nicht nur das Gebäude, sondern auch die Verfahrensführung mit ausschließlich elektronischem Akt zeigen eine sehr fortschrittliche Judikative. Dies schließt die Videoeinvernahme und ein Protokoll in Form einer Audiodatei sowie einen Gerichtsdiener, der wohl hauptsächlich die Technik beherrschen muss, ein. Auch die Übertragung der Akten an höhere Gerichte läuft ohne Probleme.
In zweiter Instanz gibt es zwei – und in naher Zukunft drei – Zentrale Verwaltungsgerichte, wobei sowohl in erster als auch in zweiter Instanz eine Spezialisierung an den Gerichten vorgenommen wird. Eine Reform im Jahr 2023 brachte eine Reduktion der Befugnisse der Präsident:innen der erstinstanzlichen Gerichte durch Übertragung einiger Befugnisse an Justizbeamte. Die Präsident:innen werden beim erstinstanzlichen Gericht nach einer entsprechenden Ausbildung für drei Jahre von einem Justizrat ernannt; bei den Zentralen Verwaltungsgerichten wird der Präsident/die Präsidentin von den Richter:innen des Gerichts selbst auf fünf Jahre gewählt, ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl.
Als Höchstgericht fungiert das Oberste Verwaltungsgericht in Lissabon, welches in zwei Kammern zu je 12 Richter:innen alle Angelegenheiten des Verwaltungs- und Steuerrechts ohne Spezialisierung zu entscheiden hat. Auch hier wird der Präsident/die Präsidentin auf fünf Jahre von den Richter:innen des Gerichts ohne Wiederwahlmöglichkeit gewählt. Am Vortag unseres Besuches beim Oberesten Verwaltungsgericht wurde gerade der neue Präsident – er folgt einer Präsidentin – gewählt.

Das Oberste Verwaltungsgericht ist in einem Palast mit einem Nebengebäude, welche zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet wurden, in der Altstadt von Lissabon gelegen. Zwei Höchstrichter:innen haben uns nicht nur die Aufgaben und die Organisation des Obersten Verwaltungsgerichtes dargelegt, sondern auch die sehr speziellen Finanzschlichtungsverfahren und die eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit des Gerichtshofs erläutert.
Kompliziert erscheint das System der Aktenzuteilung bei den Verwaltungsgerichten: Grundsätzlich erfolgt diese elektronisch, wird aber – um jedenfalls die Unabhängigkeit zu wahren – von vier Verantwortlichen, die persönlich anwesend sein müssen, überwacht.
Interessant ist auch, dass jeder/e portugiesische Richter:in auch als Verfassungsrichter:in fungiert. Jedem/er Richter:in steht es zu, ein Gesetz als nicht verfassungsmäßig anzusehen und damit im Einzelfall nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Gesetzes als verfassungswidrig und damit für alle bindend kann jedoch nur vom Verfassungsgericht ausgesprochen werden.
Es folgt in Kürze Teil II …