Die Reform der EuGH-Satzung

Am 27. Februar hat das Europäische Parlament die vom EuGH initiierte Reform der Zuständigkeiten des Gerichtshofs zugestimmt. Damit soll die hohe Arbeitsbelastung des EuGH verringert werden. Weiters soll das Verfahren transparenter werden. Fraglich ist, ob die Reform zu einer echten, langfristigen Entlastung des EuGH führen wird. Die Vorabentscheidungsersuchen – zwischen 500 und 600 Fälle jährlich – betragen fast zwei Dritteln der Verfahren und sollten durch die Reform rascher beantwortet werden.

Einschränkung der Zuständigkeit des EuGH auf bestimmte Sachbereiche in Vorabentscheidungsverfahren und Übertragung auf das Gericht der Europäischen Union (EuG) („Triage“)

Zukünftig bleibt die Zuständigkeit für Vorabentscheidungsersuchen des EuGH erhalten, jedoch in fünf Sachgebieten (des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, der Verbrauchssteuern, des Zollkodex und der zolltariflichen Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur, der Fahr- und Fluggastrechte und des Emissionshandelssystems) soll die Zuständigkeit dem EuG übertragen werden (Artikel 50b EuGH-Satzung nF). Diese Sachgebiete betreffen etwa eine Fünftel aller Vorabentscheidungsverfahren.

Vorabentscheidungsersuchen mit grundlegender Bedeutung zu „eigenständigen Fragen der Auslegung des Primärrechts, des Völkerrechts, der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts oder der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“, verbleiben beim EuGH (Artikel 50b EuGH-Satzung nF). Diese „Triage“-Entscheidung hat der Präsident des EuGH nach einer Vorprüfung durch den Vizepräsidenten und den Ersten Generalanwalt vorzunehmen.

Dem EuG werden zukünftig in Vorabscheidungsverfahren eine oder mehrere Generalanwält:innen, die für die Dauer von drei Jahren aus der Mitte der Richter:innen des EuG gewählt werden, zur Unterstützung beigegeben (Artikel 49a EuGH-Satzung nF).

Einschränkung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln auf Grundsatzfragen

Rechtsmitteln gegen Entscheidung des EuG betreffend eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer, werden zukünftig von einer vorherigen Zulassung durch den EuGH in Rechtsfragen, die für die Einheit, Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, abhängig gemacht.

Mehr Transparenz des Verfahrens durch Veröffentlichung von Schriftsätzen

In Zukunft sollen die Schriftsätze und schriftlichen Erklärungen der Beteiligten „innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Verfahrens“ auf der Website des EuGH veröffentlicht werden (Artikel 23 EuGH-Satzung nF). Den Parteien ist es unbenommen, der Veröffentlichung hinsichtlich ihrer eigenen Schriftsätze und Erklärungen zu widersprechen.

Ob angesichts des geringen Anteils der zukünftig ausgenommenen Verfahren von den Vorabentscheidungsersuchen des EuGH tatsächlich zu einer Arbeitsverringerung des Gerichtshof führt, insbesondere auch aufgrund des nun eingeführten Zulassungsverfahrens, bleibt abzuwarten.

Die Zustimmung des Rats über die Änderung bleibt noch abzuwarten, bevor die Satzung im Amtsblatt veröffentlicht wird und in Kraft treten kann.

Antrag des Gerichtshofs vom 30.11.2022

Satzung des EuGH

Angenommener Text

Siehe den Beitrag auf verfassungsblog.de: Mehr Transparenz, aber vorläufig keine weitreichende Entlastung

Siehe den Beitrag auf lto.de: EuGH soll künftig Schriftsätze veröffentlichen

Teilen mit: