Erstmals war die Künstliche Intelligenz (KI) Gegenstand eines Urteils des OGH. Der Österreichische Rechtsanwaltsverein scheiterte mit dem Versuch, eine Plattform für Anwaltsdienstleistungen verbieten zu lassen.
Die Erstbeklagten bietet mit KI ausgestattete Softwaretools an, welche es ermöglichen, Mahnklagen ohne Anwalt einzubringen oder Rechtsfragen zu erheben und Handlungsempfehlungen für Anwält:innen zu generieren. Die Revision führt u.a. ins Treffen, Rechtsvertretung und Rechtsberatung seien Anwälten vorbehalten; einen Rechtsanwalt zu beraten oder ihm Handlungsempfehlungen zu erteilen, sei mit der Selbstständigkeit des Anwaltsberufs und dem Verbot der Winkelschreiberei unvereinbar.
Dem entgegnete der OGH in seiner Entscheidung vom 27.06.2023, 4 Ob 77/23m, dass dem Geschäftsmodell oder den Vertragswerken an keiner Stelle zu entnehmen sei, dass der Anwalt an von den Beklagten – sei es traditionell, sei es „maschinell“ oder durch Verwendung von Künstlicher Intelligenz – angebotene Erwägungen, Materialien, Rechercheergebnisse oder auch Handlungsempfehlungen gebunden wäre oder er dadurch auch nur irgendwie seiner Pflicht gemäß § 9 Abs 1 RAO enthoben wäre, seinen Mandanten und dessen Rechte entsprechend seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit gegen jedermann zu vertreten. Woraus der Kläger überhaupt ableiten will, dass ein Anwalt keinen externen oder nichtanwaltlichen Rat einholen oder entgegennehmen dürfe, sei nicht erkennbar.
Es sei ist auch unverständlich, wie und warum eine selbstständige und eigenverantwortliche Tätigkeit eines Anwalts durch die ihm von den Beklagten gelieferten Daten beeinträchtigt werden sollte. Den Feststellungen sei nicht zu entnehmen, dass der Anwalt eine nur von ihm persönlich dem Mandanten gegenüber zu erbringende Dienstleistung oder „die eigentliche juristische Arbeit“ ohne Kontrolle an Dritte „auslagern“ würde; auch dass die Daten der Beklagten „von der Rechtsanwaltssoftware nur mehr automatisiert übernommen und versendet werden müssen“, ohne dass der Anwalt in RAO-konformer Letztverantwortung den Inhalt im Hinblick auf den Gebrauch vor in- oder ausländischen Behörden prüfen würde, könnte oder dürfte, sei weder in erster Instanz vorgebracht noch festgestellt worden.
Zusammengefasst sei es daher zumindest vertretbar, die festgestellte Praxis der Beklagten in Ansehung der von ihrem System erfolgenden Erstellung von Recherchen für Anwälte als mit den einschlägigen standesrechtlichen Bestimmungen vereinbar anzusehen. Warum die Beklagten in der vorliegenden Konstellation und für die hier fraglichen Umstände zwingend nicht als Hilfskräfte des Anwalts angesehen werden und damit an die Verschwiegenheitsverpflichtung gem. § 9 Abs 2 RAO gebunden sein könnten, wird auch von der Revision nicht dargelegt, die auf die Frage der anwaltlichen Hilfskräfte auch gar nicht mehr eingeht.