VwGH Judikatur / Ärztegesetz: Zulässigkeit von Meinungsäußerungen von Ärzten zu Corona-Maßnahmen

Die Ärztekammer war gegen einen Mediziner wegen dessen öffentlicher Äußerungen betreffend die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie, insbesondere der Masken- und Impflicht, mit einer Disziplinarstrafe vorgegangen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zeigt Reichweite und Grenzen freier Meinungsäußerungen von Medizinern auf.

Gegenstand des Verfahrens zur Zl. Ra 2021/09/0269 waren Äußerungen des Arztes, dass die Corona-Maßnahmen teils unverhältnismäßig gewesen seien, Stoffmasken keinen effektiven Beitrag leisten würden bzw. andere Maßnahmen sinnvoller wären sowie dass er Impfungen zwar nicht ablehne, aber nur für jene Menschen sinnvoll halte, die durch Covid-19 ein hohes Risiko hätten. Eine generelle Impfpflicht lehne er aufgrund des kurzen, (zum Zeitpunkt der Äußerungen) dreimonatigen Beobachtungszeitraums, insbesondere betreffend die Wirkungsdauer der Impfung ab. Vor allem wisse man nicht, ob geimpfte Personen die Infektion weitergeben würden, so der Arzt.

Der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer ging davon aus, dass der Arzt aufgrund dieser Äußerungen das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigt hatte (nach § 136 Abs. 1 Z 1 Ärztegesetz ein Disziplinarvergehen), weshalb er im Juni 2021 eine Disziplinarstrafe über den Arzt verhängte. Der Arzt erhob gegen die Disziplinarstrafe eine Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht Wien. Dieses hob die Strafe auf und sprach den Arzt (nach dem Ärztegesetz) frei. Dabei ging das Gericht davon aus, dass eine Disziplinarstrafe mit der Meinungsfreiheit des Arztes nicht vereinbar sei.

Die vom Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof zurück und stellte fest, die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach im konkreten Fall die Äußerungen von der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK gedeckt gewesen seien und eine Disziplinarstrafe einen unzulässigen Eingriff in diese darstellen würde, für den VwGH vertretbar war. Weiters hielt er Gerichtshof fest, dass es auch Ärzten möglich sein muss, in dieser Eigenschaft an öffentlichen Debatten über gesundheitspolitische Themen teilzunehmen und Sachkritik zu äußern. Zum Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die Seriosität der Berufsausübung und Fachexpertise ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Äußerungen, die „gar der Vernunft“ widersprechen, sind von der Meinungsfreiheit keinesfalls gedeckt.

 Hier geht’s zum Beschluss des VwGH Ra 2021/09/0269 vom 22.03.2023…

Siehe dazu auch: Zur Disziplinarstrafe eines Arztes aufgrund eines impfkritischen Gutachtens ohne Untersuchung (Ra 2022/09/0122 vom 22.03.2023) …

Und auch: Das Leugnen der Wirksamkeit von Impfungen und der Existenz krankheitsmachender Viren auf einer Webseite zu Werbezwecken verstößt gegen die Berufs- und Standespflichten von Ärztinnen und Ärzten (Ra 2019/09/0140 vom 28. 10.2021) …

Und auch:  Die Mitwirkung eines Bundesministers an der Kreation eines Organs der Selbstverwaltung, etwa durch Entsendung eines Mitgliedes in eine Kommission widerspricht Art. 120c Abs. 1 B-VG. In gleicher Weise gilt dies für die Bestellung eines Mitgliedes der Disziplinarkommission, hier noch dazu des Vorsitzenden dieser Kommission, die im Rahmen des Disziplinarrates zur Durchführung der Disziplinarverfahren eingerichtet ist. Aufhebung der Bestimmung über die Zusammensetzung der Disziplinarkommission der österreichischen Ärztekammer durch den VfGH (VfGH G 237/2022 ua vom 06.03.2023) …

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