Haft für Asylwerber ist in Europa keine Seltenheit. Bereits im Jahr 2016 gab es dazu eine richtungsweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur sogenannten „Aufnahmerichtlinie“.
Sicherungshaft ist Behördenpraxis
Die Niederlande haben eines der strengsten, effektivsten und am schnellsten arbeitenden Asylwesen Europas, Kernverfahren dauern meist nur ein bis zwei Wochen. Bezüglich Sicherungshaft haben die Niederlande so wie etwa Belgien die EU-Richtlinie über die Aufnahme von Asylwerbern von 2013 umgesetzt, die in Artikel 8 Abs. 3 Buchstabe e Haft für Asylwerber ermöglicht, wenn das „aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung erforderlich ist“.
Die entsprechende niederländische Regel steht in Artikel 59b Abs. 1 Buchstabe d des Fremdengesetzes, das im Übrigen weitere Haftgründe vorsieht, etwa, um Identität und Staatsangehörigkeit zu ermitteln, oder beim Verdacht, die Person würde untertauchen.
Pingpongspiel mit den Behörden
Die Haft im Kontext der öffentlichen Sicherheit darf maximal sechs Monate betragen, kann aber um bis zu neun Monate verlängert werden, wenn es durch „komplexe sachliche und rechtliche Umstände“ im Zusammenhang mit dem Asylverfahren oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder nationalen Sicherheit nötig ist.
Juristen zufolge wird Sicherungshaft in den Niederlanden nicht selten verhängt. Dazu gab es 2016 ein wichtiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Fall C-601/15). Es ging um einen Mann, der 1995 Asyl forderte. 1996 kam die Ablehnung, doch er blieb einfach, reiste aus und ein, stellte neue Anträge (2012, 2013, 2014) und beging bis 2015 mindestens 21 Delikte, meist Diebstähle, wegen denen er zu Geld- und Haftstrafen verurteilt wurde.
Als er im September 2015 wieder einmal aus dem Gefängnis entlassen wurde, in der er erneut Asylantrag gestellt hatte, kam er flugs in Sicherungshaft. Er klagte, weil das die persönliche Freiheit laut Artikel 5 Europäischer Menschenrechtskonvention EMRK verletze: Bei laufendem Asylprozess dürfe doch, laut seiner Interpretation von Artikel 5, grundlos keine Haft verhängt werden. Der Staatsrat legte daraufhin Artikel 8 der EU-Richtlinie dem EuGH vor. Dieser hatte daran nichts auszusetzen.
Sicherungshaft, falls begründet und in Grenzen, diene dem Gemeinwohl, der Freiheit und Sicherheit Dritter, was die EMRK nicht unterlaufe, so der EuGH.
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Hier geht’s zum EuGH Urteil (C-601/15)