Schweiz: „Raser-Paragraph“  gilt auch für Polizisten im Dienst

(Symbolbild). – (c) REUTERS (Denis Balibouse)

Seit dem Jahr 2013 hat die Schweiz die Sanktionen gegen Raser im Straßenverkehr massiv verschärft  und gleichzeitig Richtern praktisch jeglichen Handlungsspielraum bei der Beurteilung des Einzelfalles entzogen.

Seither gelten nach dem Schweizer Strassenverkehrsgesetz (SVG) starre Regeln: Wer die Geschwindigkeitslimits um ein bestimmtes Maß überschreitet, muss zwingend zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden.

Haftstrafe für Polizisten im Dienst

Jetzt erhielt ein Polizist in Genf ein Jahr bedingte Haft, weil er in einer 50er-Zone bei einem Einsatz viel zu schnell fuhr. Der Mann war während des Einsatzes auf einer Straße, wo Tempo 50 gilt, mit immerhin 126 km/h geblitzt worden. Ziel des Einsatzes war es, einen als gefährlich eingestuften Einbrecher abzufangen.

Die Anklage stützte sich auf den „Raser-Paragraph“  der auch für Polizisten im Dienst angewendet wird. Die Richter vertraten  die Ansicht, dass der Zweck der Tempoüberschreitung darin bestanden habe, Einbrecher abzufangen und nicht darin, Menschenleben zu retten. Diesfalls hätte er nicht belangt werden können.

Regelung juristisch umstritten

 

Der Raser-Tatbestand ist seit seinem Bestehen sowohl juristisch als auch politisch umstritten. Er wurde im Rahmen des Verkehrssicherheitspakets «Via sicura» mit dem Ziel eingeführt, Tempo-Exzesse auf den Straßen härter zu bestrafen: Wer den Raser-Tatbestand erfüllt, erhält eine Freiheitsstrafe von von mindestens zwölf Monaten bis zu vier Jahren, weiter wird ihm der Führerschein  für mindestens zwei Jahre entzogen. Stimmen aus der Lehre und der Politik kritisierten, der Gesetzgeber nehme den Richtern mit dem starren Automatismus jeglichen Beurteilungsspielraum.

Richter holen sich Ermessensspielraum zurück

Im Jahr 2014 war das Bundesgericht noch zum Schluss gekommen, nach diese Bestimmung sei für eine Risikobeurteilung im Einzelfall zugunsten des Fahrers kein Platz. Im Jahr 2016 folgte dann eine Änderung der Rechtsprechung:  In einer Leitentscheidung hielt das Bundesgericht  fest, der „Raser-Paragraph“  stelle keine unwiderlegbare Vermutung auf, dass der Fahrer in jedem Fall vorsätzlich, also wissentlich und willentlich, gehandelt habe.

So könne er zwar massiv zu schnell gefahren sein und den Raser-Tatbestand erfüllt haben. Spezielle Umstände aber könnten dazu führen, dass er nicht mit Vorsatz gerast sei. Der Richter müsse über einen beschränkten Beurteilungsspielraum verfügen, um dem Verschulden des fehlbaren Fahrers Rechnung tragen zu können. In anderen Worten: Das Gericht verschaffte sich bei der Beurteilung des subjektiven Tatbestands, den Beweggründen des Täters sozusagen, einen gewissen Spielraum.

Siehe dazu auch:  Der Raser-Artikel ist ein Fehlkonstrukt

 

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