Am 29. Juni 2016 hat der EuGH in der Rechtssache C-470/14 geurteilt, dass ein Tatverdächtiger in einem Schengen-Staat erneut strafrechtlich verfolgt werden kann, wenn die frühere Strafverfolgung in einem anderen Schengen-Staat ohne eingehende Ermittlungen eingestellt worden ist.
Im zugrundeliegenden Verfahren wurde ein polnischer Staatsbürger in Deutschland wegen räuberischer Erpressung verfolgt, obwohl die polnische Staatsanwaltschaft wegen derselben Tat die Ermittlungen bereits rechtskräftig eingestellt hatte. Die Einstellung der Ermittlungen hatte die polnische Staatsanwaltschaft damit begründet, dass die Aussage verweigert wurde und der Geschädigte sowie weitere Zeugen nach Hörensagen in Deutschland wohnen würden und deshalb nicht vernommen werden können.
Das vorlegende OLG Hamburg fragt daher, ob auch in einem Fall, in dem in einem anderen Schengen-Staat offensichtlich keine eingehenden Ermittlungen durchgeführt wurden, trotzdem der Ne bis in idem – Grundsatz gilt. Der Gerichtshof stellte fest, dass das Ziel des Ne bis in idem – Grundsatzes die Garantie für die Betroffenen ist, dass diese im Schengen-Raum nicht für Taten erneut strafrechtlich verfolgt werden, die in einem Schengen-Staat bereits abgeurteilt wurden. Der Ne bis in idem – Grundsatz sei jedoch nicht dafür da, einen Verdächtigen dagegen zu schützen, dass er wegen derselben Tat in mehreren Schengen-Staaten aufeinanderfolgenden Ermittlungen ausgesetzt wird.