Das erste Jahr (2) – Organisationsrecht

-Nur wenige verfassungsrechtliche Vorgaben

Der Nationalrat hat schon im Jahr 2012 mit seiner (einstimmigen!) Entschließung vom 7.5.2012 die Bundesregierung aufgefordert, für die höchste Unabhängigkeit und Einheitlichkeit der Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz Sorge zu tragen und insbesondere auf Kohärenz der dienstrechtlichen Regelungen im Hinblick auf die Sicherstellung der Durchlässigkeit und der Möglichkeit des Wechsels zwischen Gerichten des Bundes und der Länder Bedacht zu nehmen.

Der Grund dafür war, dass mit der B-VG-Novelle zur Einrichtung der Verwaltungsgerichte den Ländern als Organisationsgesetzgeber nur ganz wenige verfassungsrechtliche Vorgaben gemacht wurden und auf Bundesebene Bedenken vorhanden waren, dass die Länder diesen Spielraum in nicht immer sachlicher Weise ausnützen könnten.

Konkret hat sich die Rechtsnatur von Geschäftsordnung und Geschäftsverteilung der neuen Gerichte grundlegend geändert: Sie sind nicht mehr Verordnungen der „Behörde“ UVS, sondern Akte der Rechtsprechung bzw. der Gerichtsbarkeit und unterliegen als solche nicht mehr der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes, dh sie sind als solche nicht mehr bekämpfbar.

Weiters sieht die Verfassung für alle Verwaltungsgerichte die Erlassung einer Geschäftsverteilung entweder durch die Vollversammlung oder durch einen (mehrheitlich gewählten) Richtersenat vor. Das musste nach einem Machtwort des VfGH auch das Land Wien zur Kenntnis nehmen.

Die Besetzungsvorschläge für offene Richterdienststellen obliegen nunmehr bei allen Verwaltungsgerichten einem mehrheitlich gewählten Richtersenat. Damit sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Organisationsgesetzgeber auch schon aufgezählt. In allen anderen Bereichen ließ der Verfassungsgesetzgeber den Ländern freie Hand.

Es fällt aber auf, dass in fast allen Organisationsgesetzen der Länder Bestimmung enthalten sind, die es der Vollversammlung ausdrücklich untersagen, dienstrechtliche Bestimmungen zu erlassen. Das Misstrauen gegen eine unabhängige Richterschaft ist offenkundig überall in den Ländern – und nicht nur in Wien – sehr groß.

Die vom Nationalrat geforderte Vereinheitlichung der organisationsrechtlichen Bestimmungen hat noch keines der Ländern motiviert, Änderungen vorzusehen. So gibt es beispielsweise nicht weniger als 10 (!) verschiedene Besoldungssysteme, Pensionssysteme oder Arbeitszeitregelungen für österreichische VerwaltungsrichterInnen.

-Selbstergänzungsrecht

Da die Mehrzahl der neuen Richterinnen und Richter noch im Jahr 2013 und damit ohne richterliche Mitbestimmung ernannt wurde, gab es im Jahr 2014 nur wenige praktische Erfahrungen mit der Ernennung neuer Richterinnen und Richter. Offene Richterstellen wurden nur bei den Verwaltungsgerichten Steiermark und Wien und beim Bundesverwaltungsgericht ausgeschrieben. Eine Besetzung ist bereits in der Steiermark erfolgt, die Landesregierung folgte bei der Ernennung dem Vorschlag des Personalausschusses vollinhaltlich und bestellte die beiden erstgereihten KandidatInnen zu RichterInnen.
In Wien werden die BewerberInnen – ohne verfassungsrechtliche Grundlage – zuerst vom Amt der Wiener Landesregierung begutachtet und nach Maßgabe der höheren Befähigung und besseren Verwendbarkeit gereiht. Erst dann wird „die Reihung unter Anschluss der Bewerbungsunterlagen“ dem Verwaltungsgericht Wien übermittelt. Diese Vorauswahl hat bereits begonnen.

Die dabei verwendeten Prüfungsunterlagen dürften allerdings veraltet sein, da den BewerberInne auch ausführliche Fragen zum Wiener Abgabenrecht gestellt wurden. Für diese Beschwerdeverfahren ist aber das Verwaltungsgericht Wien seit Anfang 2014 gar nicht mehr zuständig.

Nach den von den GRECO-Staaten entwickelten Kriterien kommt unter dem Blickwinkel der Korruptionsprävention dem Auswahlverfahren – dazu zählt auch bereits die Ausschreibung selbst – für Richter besondere Bedeutung zu.

Es wird empfohlen, den Auswahlverfahren – detaillierte und objektiv überprüfbare Kriterien zugrunde zu legen und die Auswahl in einem transparenten und rechtlich überprüfbaren Verfahren (Vermeidung von „closed-door-hearings“) durchzuführen.

-Veröffentlichung von Entscheidungen
Durch die Veröffentlichung von Gerichtentscheidungen soll die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, sich über die Entscheidungspraxis der Gerichte informieren zu können. Die Zugänglichkeit gerichtlicher Entscheidungen gewährleistet nicht nur die Transparenz und Akzeptanz der richterlichen Urteile, sie auch für Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit gerichtliche Entscheidungen) essentiell und darüber hinaus ein sehr geeignetes Mittel zur Korruptionsprävention. Und nur so wird die den Verwaltungsgerichten übertragene Aufgabe, die richterliche Kontrolle der Verwaltung zu gewährleisten, auch für Außenstehende nachvollziehbar.

Das Bundeskanzleramt musste bereits Anfang des Jahres 2014 in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage eingestehen, dass die Bundesländer der Anregung des BKA, eine der Regelung des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (§ 20 BVwGG) entsprechende Regelung über die Entscheidungsveröffentlichung im RIS zu treffen, in keinem Fall vollinhaltlich nachgekommen sind.

Die Organisationsgesetze begründen entweder keine (Niederösterreich, Salzburg, Tirol) oder eine nur beschränkte Veröffentlichungspflicht (Burgenland und Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Vorarlberg).

Im Fall Wiens besteht zwar die ausdrückliche Verpflichtung, sämtliche Entscheidungen auf der Website des Gerichtes zu veröffentlichen, aber auch dieser gesetzlichen Anordnung wurde nicht entsprochen.

Zum Unabhängigen Finanzsenates bzw. zum Bundesfinanzgericht stellte das BKA fest, es sei die Entscheidung des UFS gewesen, seine Entscheidungen nicht im Rahmen des RIS, sondern auf der Plattform „Findok“ zu veröffentlichen, das treffe auch auf das Bundesfinanzgericht zu.

Die Frage, ob im Zuge des Projekts “Informationsfreiheitsgesetz” sichergestellt werden wird, dass von Gesetzes wegen alle Entscheidungen der Verwaltungsgerichte – im Sinne einer demokratischen Kontrolle der Rechtsprechung

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