Das Land Wien hat als einziges Bundesland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, für die Führung von Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Rechtspfleger einzusetzen.
Gemäß § 26 Z. 6 des Wiener Organisationsgesetzes (VGWG) obliegt den Landesrechtspflegerinnen und -rechtspflegern u.a. die eigenständige Führung und Erledigung von Beschwerden in Verwaltungsstrafverfahren, in denen die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis höchstens 1.500 Euro bedroht ist.
Diese Bestimmung wurde nun vom Verwaltungsgericht Wien beim Verfassungsgerichtshof angefochten. Nach Auffassung des Gerichtes eignen sich die übertragenen Verfahren nicht für Rechtspfleger, darüber hinaus sei auch deren Ausbildung ungenügend.
Zu den Normbedenken führt das Gericht aus, die Zuweisung aller Verwaltungsstrafverfahren bis € 1.500,– Geldstrafe bewirke letztlich eine Verlagerung eines Kernbereiches der richterlichen Entscheidungsbefugnis auf den Rechtspfleger: Die Entscheidung über die Strafbefugnis des Staates, mithin die Prüfung, ob die Tatbestandsmerkmale der angelasteten Straftat erfüllt sind, die Prüfung des Vorliegens von Strafaufhebungsgründen, die Prüfung des Verschuldens sowie die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 16 VStG, die einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit bedeutet, gehörten allesamt zum genuinen Bereich der Rechtsprechung ieS und zählten somit zu den Richtervorbehaltssachen.
Zwar erlaube Art. 87 Abs. 2 B-VG seit der Novelle BGBl. I Nr. 47/2009 den Einsatz von Rechtspflegern auch in Strafrechtssachen. Nach den Erwägungen in den Materialien (IA 516/A GP XXIV) sei jedoch daran gedacht gewesen, den Rechtspflegern Entscheidungsbefugnisse in „Kostenbestimmungen“ zu übertragen. Für die Ansicht, dass der Verfassungsgesetzgeber es für zulässig erachtet hätte, die Entscheidung über die Verhängung einer Strafe an Rechtspfleger delegieren zu dürfen, würden sich hingegen keine Anhaltspunkte finden. Verwaltungsstrafverfahren seien darüber hinaus keineswegs allesamt gleichförmig oder einfach gestaltet, sondern bereits ihrem Wesen nach strittige Verfahren, bei denen der Sachverhaltsermittlung und der Würdigung der aufgenommenen Beweise größtes Gewicht zukomme.
Weiters stellt das Gericht in seiner Anfechtung fest, die eingesetzten Rechtspfleger wären für ihre Tätigkeit auch nicht ausreichend ausgebildet worden, da der theoretische Grundlehrgang bloß 13 Tage betragen habe.
Bisher wurden rund 2.000 Verfahren beim Verwaltungsgericht Wien auf Landesrechtspfleger zugeteilt.