Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung wird auch sehr stark vom Anschein mitbestimmt.
von Werner Zinkl
RZ Editorial 01/2013
Das war der Sukkus des Richtertages, der am 22. Und 23. November 2012 in Graz stattfand. Diese entsprechend unseren Satzungen alle fünf Jahre zu grundsätzlichen Fragen des Rechtsstaates und der Gerichtsbarkeit abzuhaltende Veranstaltung setzte sich diesmal mit dem Thema „Justiz und Politik, Justizpolitik, politische Justiz?“ auseinander.
Eine sehr gelungene Veranstaltung, in deren Rahmen auch das 105-jährige Jubiläum der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und fünf Jahre Welser Erklärung gefeiert wurden. Viele prominente Gäste, an deren Spitze unser Herr Bundespräsident Dr. Heinz Fischer verliehen der Veranstaltung besonderes Gewicht.
Als wir uns vor etwa einem Jahr im Rahmen der Vorbereitung des Richtertages auf dieses Thema geeinigt haben, dachten wir nicht, dass es so aktuell sein würde. Die österreichische Justiz war im letzten Jahr vermehrt sehr heftiger Kritik ausgesetzt. Anlass waren meist laufende Verfahren, in die prominente Personen aus Politik und Wirtschaft involviert waren. Über Medien wurden bestimmte Verfahrensausgänge gefordert, der Justiz wurde oftmals unterstellt, politisch motiviert zu handeln.
Wünsche nach mehr politischer Kontrolle wurde geäußert, Staatsanwälte vor Untersuchungsausschüsse zitiert, noch mehr Einfluss der Politik durch noch mehr Kontrolle der Staatsanwaltschaften gefordert. Dabei wird von vielen übersehen, dass die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen ohnehin schon in so hohem Maß kontrolliert werden – ein wenig mehr Unabhängigkeit und Eigenverantwortung wäre wohl eher angebracht. Gerade wenn derartige Forderungen nach mehr politischem Einfluss von Politikern erhoben werden, entsteht der Eindruck, die Justiz würde tatsächlich von der Politik gelenkt. Dazu kommt, dass die Justiz immer mehr über die Staatsanwaltschaften wahrgenommen wird.
Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung wird auch sehr stark vom Anschein mitbestimmt.
Nicht nur wenn es darum geht, Korruption zu bekämpfen, braucht es eine unabhängige Justiz, die frei von jedem Anschein ist. Die Welser Erklärung hat sich als Grundlage für eine regelmäßige Selbstreflexion und eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Unabhängigkeit jedes Einzelnen, aber auch mit der Außenwirkung richterlichen Handelns bestens bewährt. Sie ist mittlerweile auch fixer Bestandteil im Ausbildungsprogramm.
Es bedarf aber neben einer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit jedes einzelnen Richters und jeder Richterin in Ihrer Tätigkeit im Sinne der Welser Erklärung auch einer strukturellen Unabhängigkeit von anderen Staatsgewalten. Solange die Justiz auf das Wohlwollen der Politik bei der personellen Ausstattung und der Bereitstellung der notwendigen Ressourcen angewiesen ist, solange sie gegenüber dem Bundeskanzleramt als Bittsteller auftreten muss und bei der Planstellenverteilung gießkannenmäßig überfahren wird, solange die Zuständigkeit für das richterliche und staatsanwaltschaftliche Dienstrecht nicht beim Justizministerium sondern im Bundeskanzleramt liegt, solange der Einfluss der Politik bei Ernennungen von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten besteht, solange kann von einer ausreichenden Unabhängigkeit nicht die Rede sein.
Das war auch Ergebnis der Vorträge und Diskussionen beim Richtertag. Nun gilt es, diese Erkenntnisse umzusetzen. Mit der Schaffung eines Rates der Gerichtsbarkeit wäre dieses Ziel zu erreichen. Damit würde auch das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gefestigt und europäischer Standard erreicht.
Mag. Werner Zinkl ist Präsident der Österreichischen Richtervereinigung