Unter dem Titel „Neue Herausforderungen für den Rechtsschutz“ stand der 10. Rechtsschutztag, der heute am 9.11.2012 von der Sektion III des Bundesministerium für Inneres veranstaltet wurde.
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Gerhart Holzinger betonte in seiner Rede, der Verfassungsgerichtshof sei der wichtigste Garant der Grundrechte, also der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Einzelnen.
In seinem Erkenntnis vom 14. März 2012, U 466/11 ua., habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union eingeräumten Rechte und Freiheiten als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden können. Mit diesem Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof seine Funktion als Garant der Grundrechte richtungweisend weiterentwickelt und auch der Vorreiterrolle in der internationalen Gemeinschaft der Verfassungsgerichte entsprochen.
Die Gesetzesbeschwerde würde es auch den Parteien eines Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten ermöglichen, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der im gerichtlichen Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften direkt an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Dieses Institut würde den Schutz der Grundrechte gegenüber Akten der Gesetzgebung weiter verbessern. Die Gesetzesbeschwerde wäre insofern der „Schlussstein“ im System der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle, wie es mit der Bundesverfassung 1920 begründet und vor allem mit den Verfassungsnovellen der Jahre 1929 und 1975 weiterentwickelt wurde.
An der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofes, die sich seit Jahrzehnten als wichtigstes Institut des Grundrechtsschutzes im Bereich der Verwaltungsrechtsordnung erwiesen hat, sollte jedenfalls vorderhand nicht gerührt werden.
Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Clemens Jabloner führte aus, die in § 42 Abs. 3a VwGG enthaltene neue Ermächtigung des Verwaltungsgerichtshofes, selbst in der Sache zu entscheiden, habe mehr Gewicht als vielleicht angenommen und werfe einige Auslegungsfragen auf. Der als „Lex Fichtenbauer“ bekannte Regelung käme insbesondere dann Bedeutung zu, wenn eine Behörde im zweiten und dritten Rechtsgang der Rechtsmeinung des VwGH nicht folgt. Wenn also eine Behörde den Beschwerdeführer praktisch im Kreis herum schickt, könne nunmehr der Verwaltungsgerichtshof dem Treiben ein Ende setzen. Dies werde in Zukunft zwar weniger bedeutend sein, weil dann schon zuvor ein gerichtlicher Rechtsschutz durch die einzurichtenden Verwaltungsgerichte besteht. Von dieser neuen Ermächtigung, die bereits in Geltung steht, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits in drei Entscheidungen Gebrauch gemacht, jüngst habe der Senat 12 zur Frage eines Vorrückungsstichtages in der Sache selbst entschieden.
Im Kern der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle stehe die Einführung von echten Verwaltungsgerichten erster Instanz. Die europäischen Rechtsprechungen – zuletzt der EuGH zur Datenschutzkommission – habe gezeigt, dass die Anforderungen an die Unabhängigkeit eines Tribunales eher noch steigen. Es sei daher Gewicht darauf zu legen, dass die neuen Gerichte hinter diesem Standard nicht zurückbleiben.
Ein europarechtskonformer Rechtsschutz sei nur dann garantiert, wenn das Richterelement auch nach außen betont und somit die Akzeptanz durch die Rechtsschutzschuchenden erhöht wird. Eine Umbenennung einer Verwaltungsbehörde zu Gericht reiche dabei nicht aus, auch eine als Gericht bezeichnetes Rechtsschutzeinrichtung könne die an ein Gericht zu stellenden Anforderungen tatsächlich nicht erfüllen.
In diesem Zusammenhang seien auch die in einigen Entwürfen der Länder unternommenen Versuche, die Aufsichtsrechte des Präsidenten auszubauen, zu beurteilen und seien der Gefahr einer Aufhebung durch den EuGH ausgesetzt. Das Datenschutzerkenntnis habe zweifellos auch Auswirkungen auf die Stellung der (weisungsgebundenen) Präsidenten der Verwaltungsgerichte erster Stufe. Für Verwaltungsgerichte sei im Hinblick auf die organisatorische Unabhängigkeit ein strengerer Maßstab anzulegen, als für ordentliche Gerichte. Dies ergebe sich aus der bisher ergangenen Judikatur.
Wahrscheinlich beruhe die Sorge der Verwaltungen an ihren Gerichten nicht auf dem Motiv, auf die Judikatur dieser Gerichte Einfluss zu nehmen. Derartiges werde politisch auch zunehmend riskanter. Vielmehr stehe das legitime Interesse der Verwaltung an der Effektivität der Vollziehung dahinter. Man müsse sich aber der Tatsache bewusst sein, dass ein, dem Prinzip der gleichmäßigen Auslastung der Richter und der festen Geschäftsverteilung verpflichtetes Gericht niemals so effizient arbeiten kann, wie eine Verwaltungsbehörde. Die genannten Prinzipien stünden aber in untrennbarem Zusammenhang mit der richterlichen Unabhängigkeit.
Für den Verwaltungsgerichtshof wiederum sei eine maximale richterliche Unabhängigkeit der vorgeschaltenen Verwaltungsgerichte unabdingbare Voraussetzung für seine, durch die geplante Novelle beabsichtigte Entlastung.