In dieser Entschließung, die von allen Parlamentsparteien unterstützt wurde, wird die Ausarbeitung gemeinsamer Standards zur Herstellung eines einheitlichen Richterbildes in Österreich gefordert, um so die Unabhängigkeit der Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen sowie die Einheitlichkeit des Organisations- und Dienstrechts der Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder zu gewährleisten.
Univ-Prof. Dr. Öhlinger, einer der renommiertesten Verfassungsexperten in Österreich, hat sich dankenswerter Weise bereit erklärt, in einem Online-Interview mit der „Zeitschrift der Unabhängigen Verwaltungssenate“ (ZUV) zu den wesentlichsten Fragen der richterlichen Unabhängigkeit Stellung zu nehmen.
ZUV: Herr Professor, die Diensthoheit bezüglich der Bediensteten des VwGH und des VfGH ist ausdrücklich auf den jeweiligen Präsidenten übertragen. Wem ist die Diensthoheit bezüglich der neu zu schaffenden Verwaltungsgerichte der Länder zuzuordnen? Wäre es zum Beispiel verfassungsrechtlich zulässig, Teile der Justizverwaltung über die Ämter der Landesregierung abzuwickeln?
ÖHLINGER: Was die Diensthoheit (dh die Summe aller dienstrechtlichen Zuständigkeiten gegenüber den Dienstnehmern bezüglich der Verwaltungsgerichte betrifft, so schafft die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 in der Tat eine etwas unklare Rechtslage. Auf die „Diensthoheit“ beziehen sich nach dieser Novelle drei einschlägige Bestimmungen des B-VG: Art 21 Abs 3 sowie die Art 134 Abs 8 und 147 Abs 8. Die ausdrückliche Übertragung der Diensthoheit bezüglich der Bediensteten des VwGH und des VfGH auf den jeweiligen Präsidenten (Art 134 Abs 8 und 147 Abs 8 B-VG) und das Fehlen einer gleichartigen Bestimmung bezüglich der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte legen zunächst einmal den Schluss nahe, dass bezüglich der Landesverwaltungsgerichte Art 21 Abs 3 B-VG uneingeschränkt anzuwenden sei und demnach die Diensthoheit bei der jeweiligen Landesregierung liege.
Bezüglich des richterlichen Personals ist allerdings Art 134 Abs 7 B-VG (idF der Novelle) zu beachten. Danach ist auf die Richter der Verwaltungsgerichte ua Art 87 Abs 1 und 2 B-VG anzuwenden. Mit dem Verweis auf Art 87 Abs 2 wird der Begriff der Justizverwaltung auch für die erstinstanzliche Verwaltungsgerichtsbarkeit rezipiert.
Justizverwaltung in einem weiten (materiellen) Sinn ist „die Vorsorge für die persönlichen und sachlichen Erfordernisse der Justiz, bzw in den Worten des VfGH: eine Tätigkeit, die zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, dass sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dient, durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit der richterlichen Tätigkeit in Zusammenhang steht – also ein sehr weiter Begriff, der auch alle auf Gerichte bezogenen Angelegenheiten einer Dienstaufsicht umfasst. Im engeren Sinn des Art 87 Abs 2 B-VG sind „Justizverwaltungssachen“ alle jene Angelegenheiten der Justizverwaltung (im materiellen Sinn), die durch Richter, sei es kollegial und damit weisungsfrei, sei es durch Einzelrichter unter Bindung an die Weisungen ihrer Vorgesetzten, ausgeübtwerden.
Die im hier gegebenen Zusammenhang entscheidende Frage besteht darin, inwieweit Angelegenheiten der Justizverwaltung (im materiellen Sinn) aus verfassungsrechtlichen Gründen auf Richter der betroffenen Gerichte gesetzlich übertragen werden müssen. Dem Wortlaut des Art 87 Abs 2 B-VG ist nur die Zulässigkeit einer solchen Übertragung zu entnehmen, und diese Ermächtigung erstreckt sich unzweifelhaft auch auf die künftigen erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte. Letzteres wird auch in den EB des Vorentwurfs klar vorausgesetzt.
„Den Verwaltungsgerichten eine durch Richter besorgte Justizverwaltung in geringeren Umfang als den ordentlichen Gerichten zuzugestehen, würde nicht nur sachwidrig, sondern wohl auch verfassungswidrig sein.“
Der VfGH hat ausdrücklich eine restriktive Auslegung des Art 21 Abs 3 B-VG vertreten und unter den in dieser Bestimmung ausgesprochenen Vorbehalt, dass das B-VG „nicht anderes bestimmt“, nicht nur explizite verfassungsgesetzliche Ausnahmen subsumiert, sondern auch solche Vorschriften, die sich aus dem verfassungsmäßig festgelegten Kontrollsystem des B-VG bezüglich der öffentlichen Verwaltung als „notwendig vorausgesetzt“ ergeben. Schon aus diesem Grund kann man nicht von einer uneingeschränkten Geltung des Art 21 Abs 3 B-VG in Bezug auf die künftigen Verwaltungsgerichte ausgehen, sondern bedarf diese Bestimmung einer einschränkenden Auslegung. Im Hinblick auf die Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die Rechtmäßigkeit der bescheidförmigen Handlungen der Verwaltungsorgane zu kontrollieren, muss man vielmehr davon ausgehen, dass die die Verwaltungsgerichte betreffenden Angelegenheiten der Justizverwaltung mindestens in dem Umfang, in dem dies in der ordentlichen Gerichtsbarkeit traditionell der Fall ist und im Sinn der Versteinerungstheorie geboten erscheint, den Verwaltungsgerichten gesetzlich zu übertragen ist. Eher wird man sogar – unter Bedachtnahme auf die unterschiedlichen Aufgaben von ordentlichen Gerichten einerseits und Verwaltungsgerichten andererseits – anzunehmen haben, dass eine weiterreichende Übertragung von Justizverwaltungssachen auf die Verwaltungsgerichte, insbesondere auch auf kollegiale und damit weisungsfreie Organe dieser Gerichte, verfassungsrechtlich geboten ist: Vom verfassungsrechtliche Kontrollsystem als (im Sinn der zitierten Judikatur) „notwendig vorausgesetzt“ erscheint die Übertragung aller Angelegenheiten geboten, deren Besorgung durch die jeweilige Landesregierung die Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte gegenüber den durch sie zu kontrollierenden Verwaltungsorganen auch nur dem Anschein nach in Frage stellt. Den Verwaltungsgerichten eine durch Richter besorgte Justizverwaltung in geringeren Umfang als den ordentlichen Gerichten zuzugestehen, würde jedenfalls in eklatantem Widerspruch zu ihrer Funktion der Verwaltungskontrolle stehen und daher nicht nur sachwidrig, sondern wohl auch verfassungswidrig sein (vgl VfSlg 15.762/2000).
Dies lässt sich im Übrigen auch aus dem EU-Recht ableiten. Art 47 Abs 2 Grundrechtecharta verlangt im Anwendungsbereich des Unionsrechts (in den weite Tätigkeitsbereiche der Landesverwaltungsgerichte fallen werden) einen Rechtsschutz durch ein unabhängiges Gericht. Diese Unabhängigkeit verlangt eine institutionelle Ausgestaltung, die „nicht nur jegliche Einflussnahme seitens der kontrollierten Stellen aus[schließt], sondern auch jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die genannten Kontrollstellen ihre [Rechtsschutz-]Aufgabe erfüllen“. Auch wenn sich diese Formulierung des EuGH (Slg 2010, I-1885) explizit nur auf eine auf der Grundlage der Datenschutzrichtlinie einzurichtende Rechtsschutzeinrichtung bezieht, ist anzunehmen, dass sie auf die unabhängigen Gerichte im Sinn des Art 47 Abs 2 GRC schlechthin zutrifft.
In mindestens gleichem Ausmaß wie den ordentlichen Gerichten, wenn nicht sogar in größerem Umfang wird daher auch die Dienstaufsicht über das nichtrichterliche Personal den künftigen Verwaltungsgerichten selbst zu überlassen sein. Eine uneingeschränkte Diensthoheit der Landesregierung gegenüber den Bediensteten der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte würde der Kontrollaufgabe dieser Gerichte gegenüber der gesamten unter der Weisungsbefugnis der Landesregierung stehenden (bescheidförmigen) Landes-verwaltung offensichtlich widersprechen.
ZUV: Künftig muss jede Entscheidung einer Verwaltungsbehörde von einem Gericht überprüft werden können. Erstreckt sich die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder auch auf den dienstrechtlichen Instanzenzug des bei den Verwaltungsgerichten beschäftigten richterlichen und nichtrichterlichen Personals?
ÖHLINGER: Soweit im Rahmen der Diensthoheit Bescheide der Landesregierung ergehen – siehe zur Frage, inwieweit dies überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist, zuvor –, deren Adressat ein richterlicher oder nichtrichterlicher Bediensteter eines Landesverwaltungs-gerichts ist, können diese Bescheide bei diesem Gericht angefochten werden. Fraglich ist jedoch, inwieweit dienstrechtliche Akte der Justizverwaltung eines Verwaltungsgerichts bei eben diesem Gericht angefochten werden können.
„Aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre ein Rechtszug gegen Akte der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte in dienstrechtlichen Angelegenheiten der eigenen Bediensteten geboten.“
Im Entwurf der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2010 lautete Art. 133 Abs 1 B-VG noch: “[Der VwGH erkennt über] 1. Beschwerden gegen die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit“. Die EB besagten dazu, dass von dieser Bestimmung „auch Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes in dienst- und disziplinarrechtlichen Angelegenheiten seiner Mitglieder erfasst (sind), und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um Akte der monokratischen oder der kollegialen Justizverwaltung handelt“, und verweist dabei ausdrücklich auf den – seinerseits auf die Art 87 (und 88) B-VG verweisenden – neuen Art 134 Abs 7 B-VG.
Die Regierungsvorlage änderte Art 133 Z 1 B-VG dahingehend, dass der VwGH über „Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit“ zu entscheiden hat. Der Begriff des Erkenntnisses würde wohl Akte der Justizverwaltung eindeutig ausschließen. Der erwähnte Verweis in den EB des Entwurfs bezüglich der Justizverwaltung fehlt denn auch in den EB zur RV. Allerdings besagt der im Ministerialentwurf noch nicht enthaltene Abs 9 des Art 133 B-VG ausdrücklich, dass „auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte […] die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden“ sind, und er delegiert die Möglichkeit von Revisionen gegen derartige Beschlüsse an den einfachen Organisations- und Verfahrensgesetzgeber. Ob Akte der Justizverwaltung der Verwaltungsgerichte unter diesen Begriff der „Beschlüsse“ fallen, bleibt aber zweifelhaft. Bejaht man dies, so müsste ein Instanzenzug an den VwGH jedenfalls durch den Landesgesetzgeber eröffnet werden. Verneint man die Subsumierbarkeit von Akten der Justizverwaltung unter den Begriff der „Beschlüsse“ im Sinn des Art 133 Abs 9 B-VG, so könnte gegenüber kollegialen und monokratischen Entscheidungen, die im Rahmen der Justizverwaltung an einzelne (richterliche bzw nicht-richterliche) Bedienstete eines Landesverwaltungsgerichts adressiert sind, eine spezielle Zuständigkeit des jeweiligen Verwaltungsgerichts, gestützt auf Art 130 Abs 2 Z 3 B-VG (idF der Novelle), landesgesetzlich vorgesehen werden, da man wohl annehmen darf, dass die dort genannten „Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten“ auch Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der Bediensteten der Verwaltungsgerichte selbst umfassen.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre jedenfalls ein Rechtszug gegen Akte der erstinstanzliche Verwaltungsgerichte in dienstrechtlichen Angelegenheiten der eigenen Bediensteten geboten, da andernfalls eine Rechtsschutzlücke gegeben wäre, die sowohl der EMRK als auch, soweit die künftigen Verwaltungsgerichte im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden, dem Art 47 der EU-Grundrechtecharta widerspräche und wohl auch mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG) kollidieren würde.
ZUV: Welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sind für das Dienst- und Besoldungsrecht der zukünftigen Verwaltungsrichter zu beachten?
ÖHLINGER: Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 enthält explizite Vorgaben für das Dienst- und Besoldungsrecht der zukünftigen Verwaltungsrichter nur in Art 134 B-VG. Die maßgebliche Bestimmung bildet der Abs 7 dieses Artikels: Die mit dem dortigen Verweis auf die Art 87 und 88 B-VG statuierten Garantien der Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit sind im Dienstrecht der Landesverwaltungsgerichte in gleicher Weise zu wahren wie im Dienstrecht der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Gesetzgebungsorgane der Länder werden sich dabei zweifellos am Richterdienstrecht des Bundes zu orientieren haben.
Die „Entschließung betreffend die Sicherstellung der höchsten Unabhängigkeit und Einheitlichkeit der Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz“ bringt zwar nur einen Wunsch des Nationalrats zum Ausdruck und ist, vor allem auch für die Länder, nicht rechtlich verbindlich. Es kann aber keinen Zweifel daran geben, dass schon im Hinblick auf Art 134 Abs 7 B-VG der Spielraum der Landesgesetzgebung bezüglich Dienstbeurteilung, Disziplinarverfahren, Nebentätigkeit, Amtsenthebung etc. eher gering ist und Abweichungen vom RStDG nur insoweit zulässig sind, als dadurch die Unabhängigkeit der Verwaltungsrichter in keiner Weise beeinträchtigt wird.
„Die Besoldung sollte auch so sein, dass sie für einen Wechsel zwischen Verwaltungsgerichten und ordentlichen Gerichten Anreize bietet.“
Was im Besonderen die Besoldung betrifft, so wäre es rechtspolitisch zweifellos sinnvoll, sie so zu gestalten, dass der Beruf des Verwaltungsrichters auch für hochqualifizierte Verwaltungsbedienstete attraktiv wird. Gerade im Hinblick auf die meritorischen Entscheidungskompetenzen der Landesverwaltungsgerichte würde sich ein Land selbst nichts Gutes tun, wenn es seine bestqualifizierten Verwaltungsbediensteten von einer Bewerbung um eine solche Richterstelle durch besoldungsrechtliche Nachteile abhalten würde. Die Folgen problematischer Sachentscheidungen des Landesverwaltungsgerichts würden dann vielfach auf das Land selbst zurückfallen. Im Sinne der zit. Entschließung des Nationalrats sollte die Besoldung aber auch so sein, dass sie für einen Wechsel zwischen Verwaltungsgerichten und ordentlichen Gerichten Anreize bietet. Eine wechselseitige Durchlässigkeit der Richter der verschiedenen Arten der Gerichtsbarkeit zu gewährleisten und dadurch einen wechselseitigen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, entspricht nicht nur der zit. Entschließung, sondern auch den positiven Erfahrungen des VwGH (siehe die Stellungnahme des Vereins der österreichischen Verwaltungsrichter zu dem Entwurf einer Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2010).
Im Wesentlichen bleibt aber die Frage der Besoldung eine rechtspolitische Frage und damit im Ermessen der jeweiligen Landesgesetzgebung.
ZUV: Welcher Gestaltungsspielraum ist den Landesgesetzgebern bezüglich arbeitszeitrechtlicher Vorschriften für die Verwaltungsrichter eingeräumt? Einige Länder überlegen, Dienstzeiten und Anwesenheitspflichten für Richter vorzuschreiben. Vergleichbares gäbe es nach unseren Informationen in Europa nur noch beim Ukrainischen Verwaltungsgericht.
ÖHLINGER: Das Fehlen arbeitszeitrechtlicher Vorschriften ist ein Charakteristikum des richterlichen Dienstrechts, das einen engen Bezug zur richterlichen Unabhängigkeit aufweist.
„Es wäre problematisch, für die künftigen Verwaltungsrichter, arbeitszeitrechtliche Regelungen zu treffen, die von jenen der Justizrichter, von unwesentlichen Details abgesehen, abweichen“
Die einschlägige Regelung für die Justizrichter (§ 60 RStDG) entspricht der Eigenart des richterlichen Dienstes, wie auch das BKA-VD in seiner Stellungnahme in VfSlg 16.630/2002 festhält. Es wäre daher unter Bedachtnahme auf Art 87 Abs 1 B-VG, aber auch unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes problematisch, für die künftigen Verwaltungsrichter arbeitszeitrechtliche Regelungen zu treffen, die von jenen der Justizrichter, von unwesentlichen Details abgesehen, abweichen. Differenzierende landesgesetzliche Regelungen finden hier eine Schranke am bundesverfassungsgesetzlich vorgegebenen Richterbild, von dem die ansonsten dem Bundesstaat immanente Befugnis zu länderweise verschiedenen Regelungen selbstverständlich nicht entbindet.
ZUV: Ein besonderes Anliegen scheint den Ländern die Einführung von Rechtspflegern für die Landesverwaltungsgerichte zu sein. Die Landesverwaltungen versprechen sich davon Kosteneinsparungen und eine Verkürzung der Verfahren. In welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen erscheint dies verfassungsrechtlich vertretbar?
ÖHLINGER: Art 135a B-VG erlaubt es, ähnlich wie in der Zivilgerichtsbarkeit und seit der B-VGNov BGBl I 2009/47 auch in der Strafgerichtsbarkeit, die Besorgung „einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften“ der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte an besonders ausgebildete nichtrichterliche Bedienstete zu übertragen.
„Der Wirkungsbereich der Rechtspfleger in der Verwaltungsgerichtsbarkeit muss gesetzlich genau und detailliert bestimmt werden, weitere Voraussetzung ist eine entsprechende Qualität der Ausbildung der „Rechtspfleger.“
Diese Bestimmung ist fast wörtlich dem Art 87a B-VG nachgebildet. Daher können auch dem diese Bestimmung ausführenden Rechtspflegergesetz in seiner geltenden Fassung – im Sinne der für Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen maßgeblichen „Versteinerungstheorie“ – die Kriterien für den Umfang der übertragungsfähigen Aufgaben entnommen werden. Der Wirkungsbereich der „Rechtspfleger“ in der Verwaltungsgerichtsbarkeit muss gesetzlich ähnlich genau und detailliert bestimmt werden, wie es der II. Abschnitt des Rechtspflegergesetzes tut. Was die Bedeutung der übertragenen Angelegenheiten anlangt, muss sie ebenfalls mit Angelegenheiten vergleichbar sein, die das Rechtspflegergesetz vorsieht. Davon abgesehen steht es aber dem Gesetzgeber frei, die Besorgung bestimmter Angelegenheiten zur Gänze oder aber in bloßen Teilen eines Verfahrens an „Rechtspfleger“ zu übertragen. Eine weitere Voraussetzung einer Übertragung ist eine entsprechende Qualität der Ausbildung der „Rechtspfleger“, die (landes-)gesetzlich zu standardisieren ist (vgl §§ 23 ff Rechtspflegergesetz).
Aus der EMRK und der Grundrechtscharta ergibt sich das Erfordernis eines Rechtsschutzes gegen Entscheidungen eines Rechtspflegers ähnlich den §§ 11 und 12 Rechtspflegergesetz. Dabei handelt es sich wohl um eine Verfahrensregelung im Sinn des Art 136 Abs 2 B-VG, die durch Bundesgesetz zu treffen ist.
ZUV: Wir danken für das Interview