Hanschitz: Richterliche Unabhängigkeit muss an europäischen Standards gemessen werden

Im  Gespräch mit vuvs-online nimmt die Bundesvorsitzende der UVS-Richter, Dr. Christa Hanschitz, Stellung zu den aktuellen Plänen der Bundesregierung zur Einrichtung eines Infrastruktursenates sowie zur neu aufgeflammten Diskussion um die richterliche Unabhängigkeit der UVS.

uvs-online: Wie beurteilt die Vereinigung der UVS-Richter das aktuelle Vorhaben der Bundesregierung zur Einrichtung eines Infrastruktursenates ?

Christa Hanschitz: Die Bundesregierung hat immer wieder betont, dass sie beabsichtigt, die rund 120 Sonderbehörden aufzulösen und deren Kompetenzen auf Verwaltungsgerichte zu übertragen. Das Verhaben, eine neue Sonderbehörde zu schaffen, steht diesen Ankündigungen diametral entgegen. Auf Grund der laufenden politischen Diskussion scheint es mir aber zweifelhaft, ob für dieses Vorhaben die notwendige Verfassungsmehrheit zustande kommt. Außerdem stellt sich wohl auch die Frage nach der Unabhängigkeit dieses Senates, wenn dessen Mitglieder von jenem Ministerium bestellt werden, das der Senat kontrollieren soll.

Aber es ist jedenfalls klar, dass für Infrastrukturprojekte des Bundes seit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 2010 kein gesichertes Bewilligungsverfahren mehr besteht. Damit wird deutlich, dass die Politik auf die Änderungen, die sich auf europäischer Ebene seit dem Jahr 2009 vollzogen haben, bisher nicht oder nur sehr zögerlich reagiert hat.

Welche Änderungen meinen sie?

Für die Debatte rund um die Verwaltungsreform und Verwaltungsgerichte hat das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon zwei entscheidende Änderungen gebracht: Erstens werden in Zukunft immer mehr österreichische Gesetze durch Unionsrecht ersetzt oder verdrängt werden, und das vor allem in Bereich des Verwaltungsrechts. Aktuell haben wir das gerade beim Fremdenrecht gesehen. Zweitens wird in allen Verfahren, in denen Unionsrecht Anwendung findet, nach Art 47 der Grundrechtscharta der Rechtsschutz durch unabhängige und unparteiliche Gerichte notwendig.

 Was kann das konkret bedeuten?

Mit der Grundrechtscharta ist der Rechtsschutz durch Gerichte zu einem europäischen Grundrecht geworden. Die Frage, ob ein Gericht oder eine Institution unabhängig ist, kann jetzt an den EuGH herangetragen werden, wie das EuGH-Urteil zur Deutschen Datenschutzkommission vom 11. März 2010 gezeigt hat. Der EuGH misst nach diesen Urteil vor allem dem organisatorischen Aspekt der Unabhängigkeit große Bedeutung zu. Die Organisation von Rechtsschutzeinrichtungen darf keinen politischen Einfluss oder Druck auf diese erlauben. In diesem Kontext ist beim EuGH auch ein Verfahren im Bezug auf die Rechtsstellung der österreichischen Datenschutzkommission anhängig. Unter Umständen wird diese Entscheidung des EuGH Auswirkungen auf alle Sonderbehörden in Österreich haben.

Wo sehen Sie die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Rechtsstellung der Unabhängigen Verwaltungssenate?

Aus unserer Sicht sollten bei den UVS in allen dienstrechtlichen und organisatorischen Fragen jene Standards angewendet werden, wie sie für die Unabhängigkeit der Richter auf europäischer Ebene entwickelt wurden und wie sie etwa in den Empfehlungen des Europarates im November 2010 festgelegt wurden. Nimmt man diese Standards ernst, so müssen jene Regelungen in den Dienst- und Organisationsvorschriften – wie etwa beim Auswahlverfahren, im Disziplinarrecht, bei Dienstbeurteilungen etc. – beseitigt werden, die geeignet sind, das Vertrauen in die Kompetenz, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der UVS-Richter zu beeinträchtigen. So ist es etwa aus unserer Sicht nicht mit den Grundsätzen der Unabhängigkeit eines Gerichtes vereinbar, wenn in einem Auswahlverfahren hinsichtlich der Auswahlkriterien und deren Anwendung jede Transparenz fehlt, da die Überprüfung der Entscheidung einer Auswahlkommission durch eine von Regierung und Verwaltung unabhängige Instanz ausgeschlossen ist.

Die Erreichung europäischer Standards für UVS-Richter muss ein zentraler Teil unserer Arbeit als Standesvertretung sein. Sollten die UVS tatsächlich in Verwaltungsgerichte transformiert werden, werden wir auch da entschieden auf die Einhaltung dieser Standards achten.

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