„Strafjustiz versus UVS: Wer kontrolliert die Kriminalpolizei?“

Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Susanne Reindl-Krauskopf zum Thema „Strafjustiz versus UVS: Wer kontrolliert die Kriminalpolizei?“

Ein Bericht von Wolfgang Helm

Zwei im letzten Jahr neu an die Universität Wien berufene Strafrechtswissenschaftler hielten am 2.5.2011 im Beisein des Rektors und des Dekans ihre Antrittsvorlesungen im Großen Festsaal vor hoch qualifiziertem Auditorium. Nachdem zunächst Peter Lewisch seinen im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts gelegenen Forschungsschwerpunkt vorgestellt hatte, widmete sich Susanne Reindl-Krauskopf in ihrem Vortrag der erst kürzlich erfolgten Aufhebung zweier Worte in § 106 StPO durch den Verfassungsgerichtshof, mit der kriminalpolizeiliche Maßnahmen aus eigener Macht (als AuvBZ, Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) wiederum der Kontrolle der unabhängigen Verwaltungssenate unterstellt worden sind.

In ihrer Analyse zeigte Reindl-Krauskopf die Folgen dieser Entscheidung für die Strafjustiz auf. Obwohl die Vortragende nicht ihr Bedauern darüber verhehlte, dass der mit der Strafprozessreform unternommene Versuch einer umfassenden und ausschließlichen Kontrolle der Kriminalpolizei durch die Strafgerichte mangels ausreichender verfassungsrechtlicher Grundlage gescheitert war, beurteilte sie in ihrem Resümee die Erfolgsaussichten von Bestrebungen, den früheren Rechtszustand unter verfassungsgesetzlicher Absicherung wieder herzustellen, äußerst skeptisch: zahlreiche gesetzliche Regelungen müssten im Zusammenhang geändert werden, dennoch wäre noch immer ein Scheitern an anderen verfassungsgesetzlichen Bestimmungen als dem vom VfGH – im Anlassfall vorerst ausschließlich – geprüften Trennungsgrundsatz (Art. 94 B-VG) zu befürchten. Zu guter Letzt sei das Problem des Rechtsschutzsuchenden, an welche Institution er sich wenden solle, schon wegen der Verflechtung sicherheits- und kriminalpolizeilichen Einschreitens so nicht lösbar.

Ein Verbleib der Kontrolle über kriminalpolizeiliche AuvBZ bei den UVS werfe zwar Fragen hinsichtlich der Auswirkungen von UVS-Entscheidungen auf die Strafjustiz auf; hierzu wären aber einzelne gesetzliche Klarstellungen de lege ferenda ausreichend.

Während die verfassungsgerichtliche Aufhebung für den Betroffenen einer polizeilichen Zwangsmaßnahme den Rechtsschutz durch die Wiederherstellung einer einheitlichen Beschwerdemöglichkeit in der Tat vereinfacht, ortete die Vortragende für den Beschuldigten im Strafverfahren ein Rechtsschutzdefizit. So hat die legistische Struktur des § 106 Abs. 1 StPO iVm der verfassungsrechtlich gebotenen Aufhebung der beiden Worte „und Kriminalpolizei“ dazu geführt, dass die Verletzung der Beschuldigtenrechte (Z 1 leg.cit.) durch die Kriminalpolizei nicht mehr unmittelbar, sondern lediglich im Wege des Staatsanwaltes wahrgenommen werden kann. (Es handelt sich um einen bloßen Nebeneffekt der Aufhebung, denn eine Prüfung dieser Angelegenheiten durch die UVS war und ist ja nicht vorgesehen.) Hier wäre aber eine gesetzliche Neuregelung denkbar, zumal es im Anlassfall nur um die Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf kriminalpolizeiliche Maßnahmen (Z 2 leg.cit.) gegangen war.

Was die unmittelbaren Konsequenzen der Aufhebung de lege lata anbelangt, so führte Reindl-Krauskopf aus, dass Anordnungen der Staatsanwaltschaft, welche von Art. 90a B-VG als Organ der Gerichtsbarkeit bezeichnet wird, von den UVS nach wie vor nicht zu prüfen seien. Die Ausführung solcher Anordnungen durch die Kriminalpolizei sei daher nur im Exzessfall zu prüfen. Der VfGH hat sich dazu bekanntlich nicht geäußert, sondern sich strikt anlassbezogen auf Maßnahmen der Kriminalpolizei aus eigener Macht beschränkt. Weitergehend, und vorerst missverständlich, erschien aber die von der Vortragenden darüber hinaus vertretene Ansicht, dass bei durch Gefahr im Verzug veranlasstem Einschreiten auch eine nachträgliche staatsanwaltliche Genehmigung die Sache der UVS-Zuständigkeit entziehen würde. In einem nachfolgenden persönlichen Gespräch hat Reindl-Krauskopf allerdings gegenüber dem Berichter klargestellt, dass ein solcher Zuständigkeitsübergang nur ex nunc – also für die aufrecht erhaltene Maßnahme ab dem Zeitpunkt ihrer staatsanwaltlichen Genehmigung – stattfinden kann. Einen zurück wirkenden Kompetenzwechsel (ex tunc, also auch für den vor der Genehmigung gelegenen Zeitraum) schloss Reindl-Krauskopf schon deshalb aus, weil solcherart eine verfassungswidrige Disposition des Staatsanwaltes über die Zuständigkeit eröffnet würde. Dem dazu ergangenen Erlass des Justizministeriums, welcher eine andere Sichtweise zu vertreten scheint, kann sie insoweit nicht folgen.

Festzuhalten bleibt, dass die Antrittsvorlesung breite Anerkennung bei der aus prominenten Vertretern der Rechtsprechung (aller drei Höchstgerichte), Wissenschaft und Verwaltung zusammengesetzten Hörerschaft fand. Eine Publikation (voraussichtlich in den JBl.) wird vorbereitet.

W.H.

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