
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2025 im Fall Danileţ gegen Rumänien (App Nr. 16915/21) eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK gesehen. Der Fall betrifft die Meinungsfreiheit eines Richters, der vom Obersten Richterrat wegen der Veröffentlichung von zwei Beiträgen auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Account bestraft wurde.
Der Beschwerdeführer ist seit 1998 als Richter in Rumänien tätig und war bekannt für seine aktive Teilnahme an Debatten über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und das Justizsystem. Im Jänner 2019 veröffentlichte der Beschwerdeführer zwei Beiträge auf seiner Facebook-Seite, der etwa 50.000 Personen folgten. Der erste Beitrag wurde im Kontext der Verlängerung der Amtszeit des Generalstabschefs der Armee durch ein Präsidialdekret veröffentlicht und bezog sich auf politische Einflussnahmeversuche auf Polizei, Justiz, Geheimdienst und Armee. Im zweiten Beitrag lobte er in einer kommentierten Verlinkung eines Presseartikels den Mut des Staatsanwalts, sich kritisch zur Justizreform in Rumänien zu äußern.
Diese Postings hatten ein Disziplinarverfahren gegen den Richter zur Folge mit der Begründung, er habe die Ehre und das Ansehen des Justizsystems beeinträchtigt, das als Strafe eine Gehaltskürzung von 5 % über zwei Monate vorsah. Dagegen wehrte sich der Richter.
Der Gerichtshof erinnert in seiner Entscheidung zunächst daran, dass Richter:innen das Recht haben, sich öffentlich zu Aspekten von allgemeinem Interesse zu äußern, wenn die Demokratie oder die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft bedroht sind. Äußerungen in einem solchen Zusammenhang genießen in der Regel ein hohes Maß an Schutz. Das Gericht vertrat dann die Auffassung, dass die Beiträge des Beschwerdeführers das angemessene Gleichgewicht zwischen einerseits dem Ausmaß, in dem der Beschwerdeführer als Richter sich in der Gesellschaft engagieren könne, um die verfassungsmäßige Ordnung und die staatlichen Institutionen zu verteidigen, und andererseits der Notwendigkeit, dass er bei der Ausübung seiner Aufgaben unabhängig und unparteiisch sei und auch als solches wahrgenommen werde, nicht gestört hätten.
Die erste Nachricht habe darauf abgezielt, die verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen und vor Angriffen auf staatliche Institutionen zu warnen. Die zweite Mitteilung kritisierte das innerstaatliche Justizsystem. Beide betrafen somit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse, an deren Bekanntgabe die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hatte. In den von den nationalen Behörden angeführten Gründen gab es keinen überzeugenden Hinweis darauf, wie die Äußerungen des Richters angeblich das ordnungsgemäße Funktionieren des innerstaatlichen Justizsystems gestört und die Würde und Ehre des Richteramtes oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in dieses Amt beeinträchtigt hätten.
Nach Prüfung der Beiträge stellte das Gericht fest, dass die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers nicht auf relevanten und ausreichenden Gründen beruhte und keinem dringenden sozialen Bedürfnis entsprach.
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