
Die Tageszeitung Die Presse widmet sich heute beim Thema des Tages dem Verhältnis von Politik und Gerichten und legt dabei einen merkwürdigen und sogar bedenklichen Umgang mit der dritten Staatsgewalt durch die Politik offen. Dies zeige sich nicht nur an den Höchstrichterbesetzungen beim Verfassungs- und beim Verwaltungsgerichtshof, sondern klaffe bei allen Verwaltungsgerichten eine Lücke, wenn es um die Unabhängigkeit und Transparenz bei der Bestellung des Spitzenpersonals gehen. Es fehle am Bewusstsein der Politik, dass Verwaltungsgerichte unabhängig zu sein haben, bemängelt die Präsidentin der Verwaltungsrichter:innen-Vereinigung Claudia Pinter.
Die Betroffenen seien der Meinung, dass die Politik zu viel Einfluss auf die Besetzung von Posten in der Justiz habe. Beim Dachverband der Verwaltungsrichter:innen als auch bei der Richtervereinigung gebe es die langjährige Forderung, dass Besetzungsvorschläge von richterlichen Gremien bei der Besetzung aller Verwaltungsgerichte einschließlich dem Verwaltungsgerichtshof eingeholt werden. Es werde auf das System in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit verwiesen, wo Personalsenate, bestehend aus gewählten Richterinnen, eine Kandidatenliste erstellen. Dass die Justizminister:in bei ihrem Vorschlagsrecht für die Ernennung durch den Bundespräsidenten davon abweiche, komme de facto nicht vor und müsse begründet werden. Der Senat könne – würde es einen solchen Fall geben – dazu Stellung nehmen.
Die Justizministerin Anna Sporrer verteidigte das derzeit bestehende Vorschlagsrecht ohne Einbindung von richterlicher Beteiligung bei den Höchstgerichten durch die Politik (welches im Regierungsprogramm offengelegt wurde) damit, dass es um die „demokratische Anbindung“ gehe. Sie finde es nicht richtig, es nur einem Richtergremium zu überlassen, wer hier Richter:in bei den Höchstgerichten werde. Es sei legitim, dass die „Werte der Parteien“ vertreten seien.
Dem widerspricht nun auch Irmgard Griss, frühere OGH-Präsidentin. Die demokratische Anbindung sei schon durch die Regelungen in der Verfassung gegeben und dadurch, dass die Rechtsprechung aufgrund der Gesetze erfolge. „Ich sehe nicht, dass hier parteipolitische Werte und Überlegungen ein Rolle spielen müssten“, führt sie aus.
Auch Wigbert Zimmermann, Präsident des OLG Innsbruck, forderte bereits im ORF Mittagsjournal am Montag in diesem Sinn den Besetzungsmodus beim OGH als Vorbild umzusetzen. Es gebe bei der Besetzung des VwGH und VfGH jedenfalls Änderungsbedarf hin zu mehr Transparenz und Objektivität. Wie zuletzt auch Transparency International führt auch er andere Modelle in Europa als Beispiel an.
Nicht nur die Besetzung der Spitze des Verwaltungsgerichthofes sei kritikwürdig, sondern treffe dies alle Verwaltungsgerichte:
Beim Bundesverwaltungs- und Bundesfinanzgericht werden aus Anlass von Bewerbungen erst Ad-hoc-Kommissionen gebildet. In dieses Auswahlgremien werden Beamte und Universitätsprofessoren von Justiz- bzw. Finanzministerium und Bundeskanzleramt entsendet, wodurch es eine große Einflussmöglichkeit gebe. Zudem sei der von dieser Kommission gemachte Vorschlag für die Bundesregierung nicht bindend, wie zuletzt die Besetzung der Spitze des Bundesverwaltungsgerichtes gezeigt habe.
Bei den Landesverwaltungsgerichten gebe es bei mehr als der Hälfte der Länder nur die Pflicht zu einer Ausschreibung und keine weiteren gesetzlichen Regelungen. In einigen Bundesländern gebe es Kommissionen, die aber nicht überwiegend richterlich besetzt seien. Kommissionen werden oft ad hoc zusammengestellt, wobei die Landesregierung namhafte Persönlichkeiten entsende. Die Gründe für die Reihung der Kandidaten seien nicht transparent. Die endgültige Entscheidung liege bei der Landesregierung. Auch von Seiten der Verwaltungsrichter:innen-Vereinigung (VRV) werde ein Besetzung wie bei der Zivil- und Strafjustiz gefordert, um möglichen politischen Einfluss hintanzuhalten.
Auch die Vereinigung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte fordere schon länger, dass man das System der Besetzung bei den Verwaltungsgerichten an Zivil- und Strafgerichte anpasse. Die Einführung der Bundesstaatsanwälte sei dazu ein guter Anlass, sagt deren Präsidentin Elene Haslinger.
Dass die Politik gerne bei der Justiz mitreden möchte, zeige sich auch an der Forderung des Bundeskanzlers Christan Stocker mit acht weiteren Regierungschefs an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Europäische Menschenrechtskonvention neu zu interpretieren, da dieses Höchstgericht die Konvention in vielen Fällen – aus seiner Sicht – zu weit auslege. Die Interpretation des Rechtes und die Rechtsprechung sei ausschließlich Sache des Gerichtes und dürfe sich die Politik nicht in die Rechtsprechung einmischen, wie etwa von NEOS und SPÖ kritisiert werde. Dieser Vorstoß sei problematisch, weil er auch die Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten unterminiere. An der Unabhängigkeit der Rechtsprechung dürfe nicht gerüttelt werden.
Dies zeige, dass der Politik die Achtung der Gewaltenteilung schwerfalle, möchte sie doch gerne bei der Justiz mitreden.
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Siehe auch: Dachverband und Transparency International üben Kritik am politischen Einfluss auf Höchstrichterposten
Postenschacher schadet auch dem Wirtschaftsstandort Österreich
SPÖ und Neos gegen Stocker-Vorstoß zu Gerichtshof für Menschenrechte