Im Rahmen des Linzer Verwaltungsgerichtstages 2024 am 24.09.2024 hat Hans Peter Lehofer, Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof, die Transparenz in der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts beleuchtet, den derzeitigen Stand dargelegt und auf die Änderungen, die auf die Verwaltungsgerichte aufgrund des Informationsfreiheitsgesetze (IFG) zukommen, hingewiesen. Transparenz sei kein Selbstzweck, Information über die Rechtsprechung sei von besonderer Bedeutung für den Rechtsstaat.
Einführend zitiert der Vortragende aus dem Schlussantrag C-213/15 des früheren Generalanwaltes Bobek:
„Offenheit stärkt insgesamt die Legitimität der Gerichte.
Zum einen führt sie zu einer höheren demokratischen Glaubwürdigkeit der Gerichte, indem sie diese zu etwas größerer Aufgeschlossenheit gegenüber den Bürgern veranlasst.
Zum anderen führt Offenheit zu einer gesteigerten Qualität der Rechtsprechung, da sie Anreize zur Verbesserung der gerichtlichen Arbeit und Leistung schafft.“
Lehofer analysierte den Status quo der Transparenz der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts und hielt fest, dass bereits jetzt viele Gerichte, wie vor allem das Landesverwaltungsgericht (LVwG) OÖ, auf ihren Homepages die wichtigsten Informationen darstellen. Es werden allgemeinen Informationen über das Gericht, die Geschäftsverteilung, die Tätigkeitsberichte, Infos für die Verfahrensparteien, Medienmitteilungen und Rechtsprechung „freiwillig“ für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Dies sei ab 01.09.2025 verpflichtend, hielt er fest.
Für die Erforderlichkeit der Publizität des Verfahrens sei für zivil- und strafrechtliche Ansprüche Art. 6 EMRK und im Anwendungsbereich des Unionsrechts Art. 47 GRC heranzuziehen.
Bei der Veröffentlichung der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte falle ins Auge, dass die Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen von Gericht zu Gericht sehr variiere. Während das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gesetzlich jede Entscheidung im RIS veröffentlichen müsse und daher Spitzenreiter bei der Anzahl der Veröffentlichungen vor dem LVwG NÖ und LVwG Tirol sei, so sei auch die Art der Veröffentlichung sehr unterschiedlich. Das LVwG OÖ habe eine die Variante gewählt, nur ausgewählte Entscheidungen im RIS und die anderen Entscheidungen auf seiner eigenen Homepage zu veröffentlichen, das dafür offensichtlich umfangreicher als die anderen Gerichte im RIS. Dagegen erachtete er es als bedenklich, dass das Bundesfinanzgericht (BFG) nicht selbst zur Veröffentlichung verpflichtet sei, sondern dies vielmehr Aufgabe des Bundesministeriums für Finanzen sei und daher auch in der Findok-Datenbank im RIS erfolge. Dass die belangte Behörde die gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung des sie überprüfenden Gerichts durchzuführen habe, erscheine hinterfragenswert.
Änderungen durch Art. 22a B-VG und IFG ab 01.09.2025
In Art. 22a Abs 1 B-VG und § 4 IFG werde ab 01.09.2025 eine „proaktive Informationspflicht“ vorgeschrieben. Daher seien Informationen von allgemeinem Interesse in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise im Internet zu veröffentlichen und bereit zu halten, „soweit und solange“ sie nicht der Geheimhaltung unterliegen, und zwar nicht nur in der in der Gerichtsbarkeit (Rechtsprechung, kollegiale Justizverwaltung), sondern auch in der (monokratischen) Justizverwaltung. Aus der gesetzlichen Regelung ergebe sich jedoch kein direkt durchsetzbarer Anspruch der Informationssuchenden, außer über das Grundrecht auf Zugang zu Informationen gemäß Art. 22a Abs 2 B-VG gegenüber der monokratischen Justizverwaltung.
Informationen von allgemeinem Interesse, die also einen allgemeinen Personenkreis betreffen oder für einen solchen relevant sind, seien nach § 2 Abs 2 IFG insbesondere:
- Geschäftseinteilungen
- Geschäftsordnungen
- Tätigkeitsberichte
- Amtsblätter
- amtliche Statistiken
- von informationspflichtigen Stellen erstellte oder in Auftrag gegebene Studien, Gutachten, Umfragen, Stellungnahmen und Verträge – Verträge über einen Wert von mindestens 100.000 Euro (§§ 13 bis 18 BVergG 2018) seien jedenfalls von allgemeinem Interesse
Fraglich sei, ob dies auch Gutachten in einzelnen Verfahren nach Abschluss des Verfahrens bei entsprechender Bedeutung und rechtlichem Interesse betreffe. Jedenfalls abzugrenzen sei dieser allgemeine Personenkreis von den Verfahrensparteien bzw. Einzelpersonen.
Betont wurde die Bedeutung der Veröffentlichung der Entscheidungen und damit den Zugang zur Rechtsprechung für den Rechtstaat. Besonders wichtig seien Veröffentlichungen von Entscheidungen demnach in Fällen,
- in denen der Rechtszug beschränkt ist,
- wenn diese für die Beratungspraxis (der RA, Interessensvertretungen etc.) oder für die Compliance wesentlich seien und
- in neuen Materien, wenn dies zeitkritisch seien.
In diesem Zuge hinterfragte der Vortragende auch die Anzahl bzw. (mangelnde) Auswahl und Aufbereitung der Entscheidungen. So sei kein „Entscheidungsfriedhof“ gefordert oder gefragt, sondern bedürfe es einer entsprechenden Aufbereitung der Entscheidungen und Generierung von Rechtssätzen, für deren Umsetzung entsprechender Ressourceneinsatz erforderlich sei.
Grundrecht auf Informationszugang
In Art. 22a Abs 2 B-VG werde das Grundrecht auf Informationszugang nur gegenüber der Verwaltung und zwar in der monokratischen Justizverwaltung eingeführt. Daneben bestehe jedoch auch das Recht auf Informationszugang auf individuelle Anfrage.
Das Recht bestehe nur, soweit Geheimhaltungsgründen nicht vorliegen. So unterliege die Vorbereitung einer Entscheidung der Geheimhaltung. Es sei aber auch das Überwiegen berechtigter Interessen anderer an der Geheimhaltung in diesem Zusammenhang zu beachten.
Die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit (Rechtsprechung, kollegiale Justizverwaltung) zur monokratischen Justizverwaltung sei daher wichtig und sollte über Umwege einer Informationsanfrage über die monokratische Justizverwaltung nicht umgangen werden.
Die „Medienarbeit“ sei nach dem herkömmlichen Sinn monokratische Justizverwaltung, auch wenn dies datenschutzrechtlich aufgrund europarechtlicher Regelungen anders zu beurteilen sei.
Bereits bestehendes verfassungsrechtliches Informationsrecht
Der Vortragende verwies in diesem Zusammenhang schließlich noch auf das EGMR Urteil MAGYAR HELSINKI BIZOTTSÁG v. HUNGARY vom 08.11.2016, wonach nicht nur Einzelpersonen, sondern auch NGOs als öffentliche oder soziale Watchdogs Informationsrechte genießen und dies auch von allen Höchstgerichten so beurteilt werde.
Es bestehe auch ein verfassungsrechtlich gewährleistetes individuelles Recht auf Zugang zu Information über Art. 10 EMRK hinaus unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich:
- Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten
- im öffentlichen Interesse
- Funktion des Zugangssuchenden als „Public Watchdog“ und
- Information ist verfügbar (muss nicht erst aufgearbeitet werden)
Unter diesen engen Voraussetzungen sei auch ein individueller Zugang zu Informationen für Journalist:innen im Bereich der Rechtsprechung denkbar. Allenfalls könnten in diesem Zusammenhang auch gesetzliche Anpassungen notwendig sein (beispielsweise für Akteneinsicht).
Der Vortragende fragte zum Schluss auch, wie transparent wir sein wollen und dürfen. Kameras seien nach dem MedienG verboten. Doch sei der Zugang zu Verhandlungen nicht zu erschweren und sei es von Vorteil, den Verhandlungsspiegel auf die Homepage zu stellen. Dass die Teilnahme der Vertreter:innen der belangten Behörde von manchen Gerichten erfolgreich gefördert bzw eingemahnt werde, betonte er als positiv.
In diesem Zusammenhang seien auch Pressebriefings und Tage der offenen Tür anzudenken, wobei die Schranken der Transparenz klar sein müssen.
Als letztes Geheimnis sollten auch die Präsident:innen-Bestellungen transparent werden, forderte der Vortragende. Transparenz sei kein Selbstzweck.