Geschäftsfälle müssen eindeutig einem bestimmten Richter zuweisbar sein

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinem Erkenntnis vom 21.09.2023, E 1920/2022, festgehalten, dass eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter besteht, wenn keine eindeutige und nachvollziehbare Zuweisung eines Geschäftsfalles an einen bestimmten Richter bei gleichzeitigem Einlangen mehrerer Geschäftsfälle vorgenommen wird.

Der Beschwerdeführer machte die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) geltend, weil die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2021 im Fall des gleichzeitigen Einlangens von mehreren Beschwerden aus einem Zuständigkeitsbereich keine nachvollziehbare und überprüfbare Zuweisung eines Geschäftsfalles an einen bestimmten Richter ermögliche.

Der VfGH führt aus, dass der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung (Art. 135 Abs. 2 B-VG) sicher stellt, dass durch generelle Vorschriften von vornherein festgelegt ist, wer der zuständige Richter in einem Verfahren sein wird. Es darf dabei kein Spielraum für eine wie immer geartete Einflussnahme bleiben und es muss jedenfalls eindeutig nachvollziehbar und verlässlich überprüfbar sein, warum eine Rechtssache gerade einem bestimmten Richter oder einer bestimmten Richterin zugeteilt wurde.

Die Geschäftsverteilung ist eine Aufgabe der Justizverwaltung, welche durch ein richterliches Kollegialorgan zu besorgen ist, sodass die Mitwirkung der Mitglieder dieses Kollegialorgans in Ausübung ihres richterlichen Amtes und sohin unabhängig erfolgt. Die Geschäftsverteilung eines Verwaltungsgerichtes ist demnach keine Verordnung, sondern ein genereller Akt der Gerichtsbarkeit.

Eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt dann vor, wenn sich für einen konkreten Geschäftsfall aus der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes gemäß Art. 135 Abs. 2 B-VG und, soweit diese auf den Zeitpunkt des Einlangens eines Geschäftsfalles abstellt, aus der Dokumentation des Verwaltungsgerichtes über diesen Zeitpunkt keine zweifelsfrei nachvollziehbare und überprüfbare, sohin eindeutige Zuständigkeit eines Richters oder eines Senates ergibt.

In der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg werden keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass an einem Tag zwei oder mehrere Geschäftsfälle aus demselben Zuständigkeitsbereich beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg einlangen. Die beim Landesverwaltungsgericht einlangenden Geschäftsfälle werden mit einem Eingangsvermerk versehen, der (lediglich) den Tag, aber nicht die Uhrzeit des Einlangens dokumentiert. Eine Reihung und Zuweisung im Sinne der in der Geschäftsverteilung festgelegten fortlaufenden Zuteilung nach dem (konkreten) Zeitpunkt des Einlangens an einem Tag ist sohin nicht möglich. Daher ist es im Ergebnis nicht nachvollziehbar und überprüfbar, warum in einer solchen Konstellation ein Geschäftsfall gerade einem bestimmten Richter zugewiesen wird. Es werden in der Geschäftsverteilung auch keine anderen Vorkehrungen – etwa in Gestalt einer Regelung, wie mit gleichzeitig einlangenden Geschäftsfällen umgegangen werden muss – getroffen, um die Zuteilung an einen bestimmten Richter nachvollziehbar festzulegen und somit überprüfbar zu machen.

Hier geht es zum Erkenntnis des VfGH …

Hier geht es zum Artikel in „Die Presse“ …

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