Ausübung einer Nebenbeschäftigung durch den Richter trotz Rückstände möglich

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis vom 28.09.2023, Ra 2022/12/0064, ausgesprochen, dass die Setzung von Prioritäten bei der Bearbeitung von Akten im Kernbereich der Rechtsprechung liegt und nicht von der monokratischen Justizverwaltung zu beurteilen ist. Die Frage, ob eine Dienstpflichtverletzung begangen wurde, weil bestimmte Verfahren vom Richter nicht in angemessener Frist erledigt wurden, ist demnach im Disziplinarverfahren durch das Disziplinargericht zu klären und nicht durch eine Weisung, eine Nebenbeschäftigung nicht mehr ausüben.

Zum Sachverhalt: Ein Richter hat – nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) – eine Nebenbeschäftigung ausgeübt, die 12 Stunden pro Jahr und damit nicht einmal 1 Prozent der Jahresleistungszeit des Richters darstellt. Diese Nebenbeschäftigung wurde dem Richter zunächst per Weisung untersagt. Das dagegen angerufene BVwG sprach aus, dass die Weisung nicht rechtmäßig erteilt worden sei und damit keine Verpflichtung zur Befolgung bestehe. Begründend wurde ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 63 RStDG gerade zeitlich intensive Nebenbeschäftigungen hintangehalten werden sollten, welche eine ordnungsgemäße Dienstpflichterfüllung behinderten. Der Gesetzgeber sei von einem Ausmaß von 8 Wochenstunden ausgegangen. Im gegenständlichen Fall hingegen seien lediglich 12 Stunden pro Jahr gemeldet worden. Dieses Stundenausmaß sei nicht geeignet, die Arbeitskraft des Richters zu schmälern bzw. die Dienstpflichterfüllung zu behindern.

Eine dagegen erhobene ao. Revision hat der VwGH zurückgewiesen mit der Begründung, dass gemäß § 63 Abs. 2 RStDG dem Richter die Ausübung von Nebenbeschäftigungen zu untersagen ist, soweit das zeitliche Ausmaß oder die Zeit (der Zeitraum) der Ausübung eine Behinderung bei der Erfüllung der Dienstpflichten mit sich bringen könnte. Gerade dies trifft jedoch nach den Ausführungen des BVwG nicht zu. Die Untersagung der Nebenbeschäftigung erfolgte im Revisionsfall allerdings deshalb, weil der Richter – nach Ansicht des Vorgesetzten – seinen Dienstpflichten nicht ausreichend nachgekommen sei, weil bestimmte „Altakten“ noch nicht erledigt seien. Die Setzung von Prioritäten bei der Bearbeitung von Akten liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings im Kernbereich der Rechtsprechung und ist nicht von der monokratischen Justizverwaltung zu beurteilen.

Die Frage, ob eine Dienstpflichtverletzung begangen worden ist, weil bestimmte Verfahren vom Richter nicht in angemessener Frist erledigt worden sind, ist – unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Garantie der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes – im Disziplinarverfahren durch das Disziplinargericht zu klären.

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