Grüner Pass: Bioethikkommission für mehr Tempo bei Aufhebung der Freiheitsbeschränkungen

Das oberste Gremium in Ethikfragen kritisiert, dass im Gesetz Geimpfte, Genesene und Getestete unterschiedlich behandelt werden.

Eines stellt die Bioethikkommission in ihrer aktuellen Stellungname zu Impffreiheiten unmissverständlich klar: Was die Freiheitsbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betrifft, müssen diese aufgehoben werden. Zumindest, wenn „keine zwingenden praktischen Gründe dagegensprechen“.

Die Gretchenfrage allerdings ist: Wann ist dieser Zeitpunkt erreicht, an dem Freiheitsbeschränkungen nicht mehr länger zulässig sind? In den nächsten Wochen werden zwar immer mehr Menschen eine Impfung erhalten, doch das Verhältnis zwischen Nichtgeimpften und Geimpften wird noch mehrere Monate lang sehr unausgeglichen sein. Und sofern die aktuellen Pläne halten, wird es noch im Mai zu größeren Öffnungsschritten kommen – darunter auch im Bereich der Gastro.

Kein Privileg

Es ist absehbar, dass sich dann auch der Druck, mehr zu öffnen bzw. auch Nichtgeimpfte weniger Beschränkungen zu unterwerfen, politisch und gesellschaftlich erhöhen wird. Für das Gesundheitssystem bestehen jedoch Risiken – auch dann, wenn die Risikogruppen bereits durch eine Impfung geschützt sind.

Aus Sicht der Ethikkommission stellt die individuelle Rücknahme von Maßnahmen jedenfalls keine „Privilegierung“ dar, sondern die Rückkehr zur Normalität. In ihrer Begründung dieser Ansicht wird sie recht deutlich: „In unserer Rechts- und Werteordnung ist Freiheit (…) kein Geschenk des Staates (…). Vielmehr darf der Staat Freiheit nur dann und nur insoweit beschränken, als dies zur Erreichung eines legitimen und gleichfalls (…) grundrechtlich abgesicherten Ziels erforderlich und verhältnismäßig ist.“ Besonders in Alten- und Pflegeheimen seien die Einschränkungen nach erfolgter Impfung „so schnell wie möglich“ aufzuheben.

Einschränkungen nicht mehr gerechtfertigt

In den Empfehlungen spiegelt sich dazu das wider, was Kommissionsvorsitzende Christiane Druml seit Monaten fordert: Sobald klar ist, dass Menschen durch eine Impfung vor schweren Verläufen geschützt werden und sie zumindest einen „gewissen“ Schutz davor haben, das Virus weiterzugeben, „rechtfertigt die potenzielle Erkrankung einzelner Personen grundsätzlich die Aufrechterhaltung freiheitsbeschränkender Maßnahmen nicht mehr“.

Die Empfehlungen gehen sogar noch weiter: Es wäre verfehlt, eine Rücknahme von Freiheitsbeschränkungen für immunisierte Personen erst dann einzuleiten, „wenn zweifelsfrei erwiesen ist, dass eine immunisierte Person das Covid-19-Virus nicht übertragen kann“. Solange der Stand der Wissenschaft berücksichtigt wird, so argumentiert die Kommission, müssten Freiheitsbeschränkungen also schon zurückgenommen werden, bevor diese Fragen endgültig geklärt sind.

Sie begründet es so: Zum einen schütze jede Immunisierung nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, und auch sonst könne nicht der „generell zweifelsfreie Nachweis“ verlangt werden, dass von einer Person keine Gefahr für die Gesellschaft ausgehe. Und damit wird ein heikler Punkt angesprochen. Denn obgleich die Wahrscheinlichkeit als hoch gilt, dass immunisierte Personen nicht mehr ansteckend sind, ist es doch nicht zweifelsfrei erwiesen.

Schon jetzt brauche es Gleichstellung

Was das angeht, so kritisiert die Kommission die geltende Rechtslage: Denn dort sei zwar festgeschrieben, dass von Getesteten oder Genesenen eine „geringere epidemiologische Gefahr“ ausgehe, nicht aber, dass das auch für Geimpfte gelte. „Eine Gleichstellung muss im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes jedoch in jede Richtung gelten“, schreibt da die Kommission. Eine solche Gleichstellung war von der Regierung eigentlich geplant gewesen, der Bundesrat verzögerte die Gesetzesänderung aber bis Ende Mai.

Die Kommission jedenfalls ist der Ansicht, das würde etwa bedeuten, „dass Restaurant- oder Konzertbesuche, Beherbergungen, die Nutzung von Sportstätten“ – also all jene Aktivitäten, bei denen der Einlass kontrolliert werden kann – „für immunisierte Personen ermöglicht werden müssen“. Eine Maskenpflicht oder Abstandsregeln sollten hingegen nach Ansicht der Kommission auch für Immunisierte gelten, solange sie für alle gelten.

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