Corona-Krise: Kein vorläufiger Rechtsschutz, um die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen nicht zu beschränken?

Viele der vom Verfassungsgerichtshof gekippten Corona-Maßnahmen waren zum Zeitpunkt ihrer Aufhebung schon nicht mehr in Kraft. Die Entscheidung, ob freiheitsbeschränkende Maßnahmen verhältnismäßig sind oder nicht, erfolgte oft erst nach einem monatelangen Verfahren.

So wurde z.B. im Frühjahr 2020 mit durch die damals geltenden COVID-19-Maßnahmen­verordnung das Betreten von Sport- und Freizeitbetrieben untersagt ist. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) hatte Bedenken, ob das angefochtene Betretungsverbot vom Gesetz gedeckt ist und stellte den beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Feststellung, dass dieses Betretungsverbot gesetzwidrig war. Knapp ein Jahr später folgte der Verfassungsgerichtshof der Auffassung des LVwG und hob das Verbot als gesetzwidrig auf, zu einem Zeitpunkt, als das angefochtene Betretungsverbot bereits außer Kraft war (V 530/2020).

Verwaltungsrichter fordern rascheren Rechtsschutz

Der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) hatte im vergangenen Jahr wiederholt auf diese Rechtsschutzlücke hingewiesen und gefordert, dass der Verfassungsgerichtshof nach dem Vorbild anderer Verfassungsgerichte in Europa die Möglichkeit von Eilverfahren erhält, um rasch einstweilige Maßnahmen treffen oder einstweiligen Rechtsschutz gewähren zu können. Denn bei einer Verlagerung der Staatsgewalt hin zur Exekutive, wie das seit Beginn der Pandemie zu beobachten sei, müsse in einem Rechtsstaat der Rechtsschutz Schritt halten, wolle man nicht in Kauf nehmen, dass ein Federstrich der Exekutive den Bürgerinnen und Bürgern auf Wochen oder Monate flächendeckend die Freiheit beschränke oder nehme.

Keine Notwendigkeit für Eilverfahren?

Nach einem Bericht im „Standard“ hält man beim Verfassungsgerichtshof eine Ausdehnung des vorläufigen Rechtsschutzes durch Eilverfahren für nicht erforderlich und verweist dazu auf die durchschnittliche Entscheidungsdauer von rund vier Monaten.

Die zuständige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sieht nach diesem Bericht aus einem anderen Grund keinen Handlungsbedarf. „Die Möglichkeit, Bestimmungen ohne ausführliche Prüfung für unanwendbar zu erklären, würde die Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers schwächen“ und: „Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, schnell zu entscheiden und zu handeln, ein vorläufiger Rechtsschutz würde die Effektivität der Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise einschränken.“

Widerspruch zu Unionsrecht

Die EU-Grundrechtecharta verlangt allerdings dort, wo Unionsrecht betroffen ist – so etwa beim Recht jedes EU-Bürger/jeder EU-Bürgerin sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei bewegen und aufzuhalten zu können – ausdrücklich einen effektiven Rechtsschutz (Art. 47). Damit soll es den EU-Bürgern und Bürgerinnen möglich gemacht werden, ihre durch das Unionsrecht verliehenen Rechte geltend machen können.

Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz sind im Wesentlichen der Anspruch des Einzelnen auf einen Rechtsweg (sog. Rechtsweggebot) sowie die Wirksamkeit des zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfs.

Die Aufgabe eines angerufenen Gerichts ist im Geltungsbereich der Grundrechtecharta damit nicht nur die Entscheidung, ob die zur Bewältigung einer Krise ergriffenen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind, sondern auch die Entscheidung darüber, ob gegen diese Maßnahmen ein vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, um den Eintritt irreversibler Folgen zu verhindern.

Hier den Beitrag im „Standard“ lesen …

Siehe dazu auch: Deutschland – Infektionsschutzgesetz schaltet Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte aus

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