Informationsfreiheitsgesetz: Kritische Stellungnahme des Dachverbandes der Verwaltungsrichter

Der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) hat zum vorgelegten Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes eine Stellungnahme abgegeben, welche eine Ausdehnung einer Informationspflicht auf die Organe der Gerichtsbarkeit in der vorliegenden Form ablehnt.

Mangelnde Trennung von Justiz und Verwaltung

Aus Sicht des DVVR widerspricht die im Entwurf vorgesehene Verpflichtung der Organe der Gerichtsbarkeit, im Fall der Verweigerung der verlangten Information einen Bescheid zu erlassen, dem verfassungsgesetzlichen Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung nach Art. 94 Abs. 1 B-VG, weil ein Organ entweder ein solches der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung zu sein hat. Anders verhalte es sich mit den Organen der monokratischen Justizverwaltung, die im Hinblick auf ihre Leitungsfunktion sehr wohl Bescheidkompetenz haben (vgl. Art. 87 Abs. 2 B-VG).

Beträchtlicher Mehraufwand; Diffizile Abwägung von Geheimhaltungsinteressen 

In rechtspolitischer Hinsicht wäre eine Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und eine „proaktive Veröffentlichungspflicht“ für die einzelnen Richterinnen und Richter, auch wenn der Entwurf Ausnahmen für eine Geheimhaltung vorsieht, in aller Regel mit beträchtlichem Mehraufwand verbunden. Da richterlicher Rechtsschutz – anders als andere staatliche Bereiche – den streng prozessierten Schutz individueller formeller und materieller Rechte zum Gegenstand hat, würde eine Veröffentlichung von Verfahrensdaten regelmäßig in subjektive Rechte (von Verfahrensparteien) eingreifen. Eine Entscheidung über eine Informationsgewährung an Außenstehende wäre daher mit diffizilen Abwägungen pro und contra einem Geheimhaltungsinteresse der am Verfahren Beteiligten verbunden, sohin mit beträchtlichen Infrastruktur- und Personalkosten für die Gerichtsbarkeiten, die jedoch nicht abgedeckt werden sollen.

Die kurzen Entscheidungsfristen nach § 11 Abs. 1 und 3 IFG würden der Gerichtsbarkeit zudem ein enges Korsett verpassen. Auch sei die rechtspolitische Abwägung, dass Fristen zur Entscheidung über Informationsbegehren Außenstehender kürzer bemessen wären als zur Entscheidung in der Sache (gegenüber den Verfahrensparteien), nicht nachvollziehbar.

Fehlender Bezug zum Unionsrecht

Erstaunlich sei auch, dass der Entwurf im Vorblatt keinerlei Berührungspunkte zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union erkennt – ausgenommen im Besonderen Teil der Erläuterungen im Hinblick auf die DSGVO. In diesem Zusammenhang weist der DVVR darauf hin, dass selbst die EU-Verordnung Nr.1049/2001 vom 30. Mai 2001 nur den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorsieht, nicht aber den EuGH miteinbezieht.

Eine Erstreckung einer Informationspflicht auf die Organe der Gerichtsbarkeiten in der vorliegenden Form wird daher abgelehnt.

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