Nach Einrichtung der Verwaltungsgerichte war die Frage offen, ob – so wie bei Entscheidungen der UVS – bereits gegen ein mündlich verkündetes Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ein Rechtsmittel erhoben werden kann oder erst gegen dessen schriftliche Ausfertigung.
Mit Erkenntnis vom 15.12.2014, Ro 2014/04/0068, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass auch gegen eine zunächst nur mündlich verkündete Entscheidung eines Verwaltungsgerichts eine ordentliche Revision zulässig ist. Die Bestimmung des § 29 VwGVG war nach Auffassung des VwGH analog zum früheren § 67g AVG zu verstehen. (Siehe dazu: Revision gegen mündlich verkündete Erkenntnisse ist zulässig, VfGH Beschwerde nicht)
In seinem Erkenntnis vom 23. 9. 2020, Ra 2019/14/0558, hat der Verwaltungsgerichtshof jetzt ausführlich die Frage behandelt, ob die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte allein an den bei der mündlichen Verkündung mitgeteilten Gründen (Verhandlungsniederschrift), oder (auch) an der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung zu messen ist.
Dazu unterschied der Gerichtshof folgende Fälle: Mündlich verkündete Erkenntnisse, denen (bis zur Entscheidung des VwGH) keine schriftliche Ausfertigung nachfolgt, fehlerhaft mündlich verkündete Erkenntnisse, denen eine schriftliche Ausfertigung nachfolgt sowie Abweichungen zwischen mündlich verkündeten Erkenntnissen und schriftlicher Ausfertigung.
Der Gerichtshof weist in dieser Entscheidung darauf hin, dass – um zur Erhebung einer Revision berechtigt zu sein – ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung gestellt werden muss. Wenn trotz eines solchen Antrages die schriftliche Ausfertigung nicht erfolgt, so misst der VwGH die Rechtmäßigkeit der Entscheidung nur anhand der mündlich verkündeten Entscheidungsgründe.
Diese Anfechtung verbraucht das Revisionsrecht, weshalb bei nachträglicher Zustellung der schriftlichen Ausfertigung nicht nochmals eine Revision erhoben werden kann.
Wird eine Entscheidung mangelhaft mündlich verkündet, folgt aber eine schriftliche Ausfertigung nach, so können durch die schriftliche Ausfertigung etwaige Mängel der mündlichen Verkündung geheilt werden. (Siehe dazu: Schriftliche Ausfertigung saniert fehlende Protokollierung der mündlichen Begründung)
Weicht die schriftliche Ausfertigung von der mündlichen Verkündung ab, ist zu unterscheiden, ob die Abweichung im Spruch oder in der Begründung liegt. Abweichungen im Spruch, die zu einem andere normativen Inhalt der Entscheidung führen, sind rechtswidrig (Verstoß gegen die Unwiederholbarkeit und die Unabänderlichkeit von Entscheidungen). Wesentliche Abweichungen in der Begründung, welche nicht nachvollziehbar machen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgeblich waren, stellen einen relevanten Begründungsmangel dar. Bloße Ergänzungen des Spruches oder der Begründung schaden dagegen nicht.