Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (1):  Betretungsverbot teilweise gesetzeswidrig

Allgemeines Betretungsverbot von öffentlichen Orten  war gesetzlich nicht gedeckt

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in zusätzlich angesetzten Beratungen weitere Entscheidungen über Fälle getroffen, die sich gegen Gesetze bzw. Verordnungen im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen richten, die Entscheidungen wurden heute veröffentlicht.

Behörden an Grundrechte gebunden

Gegen § 2 COVID-19-Maßnahmengesetzes bestehen, so der VfGH, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Bestimmung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für allfällige Betretungsverbote bietet  und damit dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip entspricht. Die Entscheidung, ob  bzw. welche Maßnahmen per Verordnung gegen  COVID-19 getroffen werden, überträgt das Gesetz zwar an die zuständigen Behörden. Bei dieser Entscheidung sind die Behörden  jedoch an die Grundrechte gebunden,  insbesondere an das Recht auf persönliche Freizügigkeit. Einschränkungen dieses Rechtes sind nur dann zulässig, wenn sie einem legitimen öffentlichen Interesse (wie dem Gesundheitsschutz) dienen und verhältnismäßig sind.

Generelles Ausgangsverbot von COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt

Die Bestimmungen der §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung waren jedoch gesetzwidrig, weil die Grenzen überschritten wurden, die dem zuständigen Bundesminister durch § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gesetzt sind. Mit der Verordnung wurde nicht bloß das Betreten bestimmter, eingeschränkter Orte untersagt. Die Ausnahmen in § 2 der Verordnung ändern nichts daran, dass § 1 der Verordnung „der Sache nach als Grundsatz von einem allgemeinen Ausgangsverbot ausgeht.“ Ein derart umfassendes Verbot ist aber vom COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt. Dieses Gesetz bietet keine Grundlage dafür,  eine Verpflichtung zu schaffen, an einem bestimmten Ort, insbesondere in der eigenen Wohnung, zu bleiben.“

Bestimmungen im Verwaltungsstrafverfahren nicht mehr anzuwenden  

Da die angefochtenen Bestimmungen bereits mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten sind, hat der VfGH ausgesprochen, dass diese Bestimmungen gesetzwidrig waren.  Er hat auch ausgesprochen, dass diese Bestimmungen (etwa in einem laufenden Verwaltungsstrafverfahren) nicht mehr anzuwenden sind.

Hier geht’s zur Presseaussendung des Verfassungsgerichtshofes …

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