Corona-App: Tausende irrtümlich in Quarantäne

Coronavirus

Die israelische Regierung hatte zu Beginn der Pandemie auf die Überwachung von Handys Infizierter durch den Inlandsgeheimdienst Shin Bet gesetzt. Ende April wurde das vom Höchsten Gericht vorübergehend verboten, ehe das Parlament am 1. Juli einen neuen Gesetzesbeschluss für die Wiederaufnahme verabschiedete.

Die Technologie wird für gewöhnlich zur Terrorbekämpfung eingesetzt. Derzeit werden mit ihrer Hilfe Bewegungsprofile erstellt, um zu sehen, mit wem Erkrankte zuletzt in Kontakt waren. Diese Menschen werden dann per SMS gewarnt und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben. Der österreichische Bundeskanzler hatte Israel hier zum Vorbild erklärt (Siehe dazu: Smart wie Bibi)

Und die Leiterin der dem Bundeskanzleramt angegliederten Denkfabrik „Think Austria“, Antonella Mei-Pochtler, ging in einem Interview mit der „Financial Times“ davon aus, dass „Contact-Tracing-Apps“ und andere Technologien künftig wesentlicher Bestandteil des sozialen Lebens sein werden.

12.000 Menschen wieder aus Quarantäne entlassen

Doch das Alarmsystem dürfte zuletzt überbordend reagiert haben: Rund 12.000 Menschen, die angegeben hätten, unbegründet ein SMS von Shin Bet erhalten zu haben, seien wieder aus der Heimquarantäne entlassen worden, hieß es in Medienberichten. Laut „Times of Israel“ hatten in der ersten Woche nach der Wiederaufnahme der Überwachung Zehntausende Israelis ein SMS erhalten, in dem sie darauf hingewiesen wurden, Kontakt mit einem Coronavirus-Infizierten gehabt zu haben.

Quarantänepflicht auf Basis einer SMS

Der Ministeriumsvertreterin zufolge sind 150 Mitarbeiter einer Hotline damit befasst, Anrufe wegen des SMS zu beantworten. Sie sagte, bis einschließlich Sonntag seien mehr als 26.000 Anrufe eingegangen. 83 Prozent hätten gegen die Quarantänepflicht auf Basis des SMS protestiert, rund 12.000 Menschen seien von der Quarantäne befreit worden. „Wenn uns jemand sagt, dass er während des Zeitraums, der in dem SMS erwähnt wird, zu Hause war, dann glauben wir ihm und entlassen ihn aus der Heimquarantäne“, sagte die Mitarbeiterin des Ministeriums.

Zuletzt waren in Medien Berichte kursiert, wonach sich Israelis zunehmend über Wege informieren, der Handyüberwachung zu entkommen. Das Nachrichtenportal N12 schrieb vergangene Woche, dass es sich dabei primär um speziell gefertigte Taschen oder Hüllen handelte, die ein Aufzeichnen der Daten verhindern könnten.

Kritik an totaler Telefonschnüffelei

Indes sorgt das Tracking weiter für Aufregung. Namhafte Juristen werfen der Regierung in einem offenen Brief vor, mit der Schnüffelei das gerade jetzt so dringend benötigte Vertrauen der Bürger beschädigen. Die Regierung solle sich ihre Daten auf eine Weise beschaffen, die weniger tief in die Privatsphäre eindringen als die derzeit praktizierte totale Telefonschnüffelei durch den Inlandsgeheimdienst Schin Beit, fordern sie. Bei den Geheimdienstlern laufen sie damit offene Türen ein. Schin Beit wollte das Tracking nie haben und hat das öffentlich oft genug betont. Man sei für solche Maßnahmen weder vorbereitet noch qualifiziert, hieß es – und habe auch sonst genug zu tun.

Hier den Beitrag auf orf.at lesen …

Siehe dazu auch: Anti-Virus-Maßnahmen- Auf Kollisionskurs mit den Grundrechten

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