Recht auf Gesundheit und Demonstrationsfreiheit

Aus Anlass der letzte Woche stattgefundenen Demonstration in Wien, an der rund 50.000 Menschen teilnahmen, analysieren ein Virologe und ein Verfassungsjurist in einem Beitrag in der „Wiener Zeitung“ die Lage bei Versammlungen.

Übertragungsrate im Freien 19-fach geringer

„Wenn die Menschen eng beisammenstehen, einander anhusten und ihre Parolen schreien, kann es leichter zu einer Übertragung des Virus kommen“, sagt dazu Heinz Burgmann, Professor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien, zur „Wiener Zeitung“. Umarmen sie einander auch noch, steige das Risiko umso mehr. Zudem sei es schwierig, „die Kontakte bei einer Infektion auf einer Demonstration rückzuverfolgen“.

Dass viele Demonstranten einen Mund-Nasen-Schutz getragen haben, die Menschen meist in Bewegung und im Freien waren, habe die Möglichkeit einer Übertragung aber gravierend reduziert, erklärt Burgmann. „Die Übertragungsrate im Freien ist um das 19-Fache geringer als in geschlossenen Räumen.“

Rechtlich stellt sich die Frage, wann Demonstrationen aufgrund des Coronavirus aufgelöst werden können. Fest steht: Die Covid-19-Lockerungsverordnung schreibt für Veranstaltungen Höchstgrenzen bei der Personenzahl vor. Von dieser Beschränkung ist das Versammlungsgesetz aber ausgenommen. Daher dürfen auch zehntausende Menschen an den Demos teilnehmen.

Abwägung nötig

Proteste können aber auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes aufgelöst werden. Einen möglichen Hebel bietet hier die Ein-Meter-Abstandsregel zum Schutz vor Infektionen, die auch bei den Protesten einzuhalten ist. Kann die Polizei zugleich zur Auflösung schreiten, wenn gegen die Regel massenhaft verstoßen wird?

„Nicht jede rechtswidrige Versammlung ist sofort aufzulösen“, sagt Karl Stöger, Professor für öffentliches Recht an der Universität Graz. Vielmehr sei gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Interessensabwägung der diversen Schutzgüter durchzuführen.

Der Schutz der Gesundheit muss also mit der Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit abgewogen werden. „Das ist keine einfache Entscheidung. Möglicherweise müsste bei der Versammlung ein Amtsarzt neben dem leitenden Polizisten stehen und die Infektionsgefahr beurteilen“, sagt Stöger. Sinnvoll sei es wohl auch, wenn sich die Polizei im Wege der Amtshilfe mit der für Gesundheit zuständigen Magistratsabteilung kurzschließe. (Hier den ganzen Beitrag in der „Wiener Zeitung“ lesen…)

Siehe dazu: Neue Regeln -Wie Demonstrationen künftig ablaufen sollen

Teilen mit: