Corona-Krise: Überwachung durch „Contact Tracing-Apps“ als Teil der „neuen Normalität“ ?

Die Leiterin der dem Bundeskanzleramt angegliederten Denkfabrik „Think Austria“, Antonella Mei-Pochtler, geht davon aus, dass „Contact-Tracing-Apps“ und andere Technologien künftig wesentlicher Bestandteil des sozialen Lebens sein werden.

„Das wird Teil der neuen Normalität sein. Jeder wird eine App haben“, sagte die Kanzler-Beraterin der „Financial Times“. Die europäischen Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die „am Rand des demokratischen Modells“ seien. (Siehe dazu: Kurz-Beraterin Mei-Pochtler: „Jeder wird eine App haben“)

Damit bestätigt sie bereits geäußerte Vermutungen, die Bundesregierung bereite eine verpflichtende Installation von „Contact Tracing-Apps“ auf Smartphones vor, sollte es eine „zweite Welle“ bei den Corona-Infektionen geben. Und Bundeskanzler Kurz wolle dabei am Beispiel Israels orientieren (Siehe dazu: Smart wie Bibi).

Kein App ohne amerikanische Internetkonzerne

Indes werden Bedenken, dass diese Apps für eine Nachverfolgung von Infektionen überhaupt geeignet sein könnten, immer deutlicher geäußert. So sind derartige Lösungen technisch überhaupt nur möglich, wenn Apple und Google entsprechende Schnittstellen in deren Betriebssysteme einbauen. D.h. ohne technische Unterstützung in den Betriebssystemen der Smartphones dieser beiden Konzerne – Android und IOS – kann keine App mit Bluetooth-Tracing brauchbare Ergebnisse liefern. (Siehe dazu: Schon zehn EU-Staaten setzen auf dezentrale Coronavirus-Apps)

Und die beiden Konzerne haben bereits bekannt gegeben, unter welchen Voraussetzungen sie ihre Schnittstellen freigeben wollen. Um einen Flickenteppich zu vermeiden, soll wollen sie ein Auswahlverfahren durchführen.

Womit die Datensicherheit gegenüber diesen Unternehmen schon deshalb fraglich ist, weil beide Unternehmen an der Entwicklung von Überwachungstechnologien durch die US-Regierung beteiligt waren. Die größte europäische Hackervereinigung, der deutsche Chaos Computer Club (CCC), bezeichnete die Vorgangsweise der Internetkonzerne daher auch als „Covid-Washing“.

Bluetooth-Technik grundsätzlich nicht geeignet

Auch einer der weltweit angesehensten Sicherheitsexperten und Kryptografen, Bruce Schneier, stellte in einem Blog-Beitrag fest, „Contact-Tracing-Apps“ hätten absolut keinen Wert. Solche Apps würden unweigerlich zu viele Falschmeldungen produzieren, um irgendwie brauchbar zu sein. Einer der Gründe sei, das Bluetooth für die Erfassung von Kontakten einfach zu ungenau sei, um wirklich jeden Kontakt zu erfassen. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass viele Kontakte gar nicht zu einer Infektion führten.

Gesetzliche Absicherung bei freiwilliger Nutzung

Nikolaus Forgó, Rechtsinformatiker an der Uni Wien, stellte dazu in einem Beitrag auf „heise.de“ fest, es sei bisher gar nicht beweisen, dass eine solche Anwendung überhaupt „epidemiologisch sinnvoll ist“. Zudem warnte er vor Haftungsfolgen und potenziellen strafrechtlichen Ermittlungen beim Einsatz von Lösungen zur Kontaktverfolgung.

Auf Basis seiner „Bemerkungen zu datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen des Einsatzes von Tracing-Apps“ empfahl Forgó im Einklang mit deutschen Rechtswissenschaftlern, dass „die freiwillige Nutzung gesetzlich abgesichert werden müsste, um die Konsequenzen zu regeln“. Festzuschreiben sei etwa ein Diskriminierungsschutz für alle, die ein solches Programm nicht verwenden wollen. Geregelt werden sollte auch, was mit den erhobenen Daten geschehe und wann diese unwiderruflich gelöscht würden.

Es sei sonst durchaus denkbar, dass die Freiwilligkeit faktisch ausgehebelt werde, weil Dritte – ohne rechtliche Grundlage – den Einsatz der App verlangten oder beförderten, schreibt Forgó in seinem Papier. Eine Behörde, eine Hochschule sowie Restaurant- oder Supermarktbetreiber könnten die Installation etwa zur Voraussetzung gängiger Dienstleistungen machen.

„Man muss befürchten, dass es Drucksituationen indirekter Art geben kann“, räumte auch der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber ein. „Bei exklusiven Vorrechten“ für App-Nutzer werde die Freiwilligkeit in Frage gestellt.

Den Ruf nach einer klaren rechtlichen Aufspielpflicht lehnte er aber entschieden ab: „Das kann ich mir in einem Rechtsstaat nicht vorstellen.“

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