Corona-Krise: Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte vor Gericht (5)

Deutschland: Welle von Gerichtsentscheiden über 800-Quadratmeter-Regel

Gerichte in Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen haben bereits darüber entscheiden, ob die Deutschland geltenden 800-Quadratmeter-Begrenzung zur Öffnung des Einzelhandels rechtens ist.

Divergierende Rechtsprechung

Am Mittwoch letzter Woche hatte bereits das Verwaltungsgericht Hamburg einem Kläger gegen die Begrenzung Recht gegeben. Das Gericht sah keine gesicherten Belege dafür, dass von größeren Verkaufsflächen allein eine höhere Anzie­hungs­kraft auf Kunden ausgehe. Bund und Länder hatten die Öffnung von Geschäften nur bis zu einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmeter damit begründet, dass man volle Fußgängerzonen in den Städten wegen der Ansteckungsgefahr vermeiden wolle.

Auch Bayern höchstes Verwaltungsgericht hat das von der Staatsregierung in der Coronakrise verhängte Verkaufsverbot für große Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche für verfassungswidrig erklärt. Die Richter bewerteten die Verkaufsflächenregelung wegen der Ungleichbehandlung im Vergleich zu kleineren Läden als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Freistellung bestimmter Geschäfte von der Regelung sei aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht gerechtfertigt.

Außerdem beanstandeten die Richter, dass nach dem Wortlaut der Verordnung im Fall der Ladenöffnung nur „sonstige Einzelhandelsbetriebe“ eine Begrenzung der Kundenzahl auf einen Kunden pro 20 Quadratmeter sicherstellen müssen. Für die übrigen Einzelhändler, die bereits vor dem 27. April 2020 öffnen durften, sowie Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel gelte dies jedoch nicht. Das ist für den Senat ebenfalls nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz vereinbar.

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg  hat hingegen das aufgrund der Corona-Pandemie geltende Verkaufsverbot für Geschäfte über 800 Quadratmeter Verkaufsfläche – anders als ein Gericht in Bayern – grundsätzlich bestätigt. Aus Sicht des Gerichts verletzt das Verbot nicht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, auch wenn eine Ungleichbehandlung vorliege. Der Verordnungsgeber habe sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung vorgebracht, die „derzeit noch als hinreichend“ anzusehen seien.

Das Gericht lehnte auch Klagen ab, die gegen die Schließung von Tier- und Freizeitparks sowie gegen das Verbot  von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen gerichtet waren.

Israel:  Höchstgericht verbietet umstrittene Corona-Überwachung ohne Gesetzesgrundlage

Israels Höchstes Gericht hat den Einsatz von Überwachungstechnologie gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorerst verboten. Der Inlandsgeheimdienst Shin Bet dürfe Handys von Erkrankten erst dann wieder überwachen, wenn eine entsprechende Gesetzgebung initiiert werde, hieß es in dem am Sonntagabend veröffentlichten Urteil.

An Covid-19 erkrankten Journalisten müsse außerdem die Gelegenheit gegeben werden, einen Gerichtsbeschluss gegen ihre Überwachung zu erwirken, um ihre Quellen zu schützen.

Shin Bet hatte nach Beginn der Corona-Krise Überwachungstechnologie eingesetzt, die sonst zur Terrorbekämpfung dient. Menschenrechtler hatten dagegen geklagt. Von offizieller Seite wurde die Maßnahme mit der Notwendigkeit gerechtfertigt, Leben zu retten.

Shin Bet hatte argumentiert, das Virus stelle eine ernste Bedrohung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der nationalen Sicherheit Israels dar. Es wurden vor allem Mobiltelefone von Kranken überwacht, um zu sehen, mit wem sie vor der Diagnose in Kontakt waren. Diese Personen wurden dann per SMS gewarnt und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben.

Shin Bet hatte betont, die Informationen sollten nicht dauerhaft in seiner Datenbank aufbewahrt werden. Das Gericht urteilte jedoch, die Überwachung stelle eine schwere Verletzung der Privatsphäre dar.

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