Neues Regierungsprogramm: Die Grenzen der Sicherungshaft

Menschenrechtsexperte Manfred Nowak sieht die türkis-grünen Vorhaben mit der Schubhaft bereits erfüllt.

In einem Beitrag in der „Wiener Zeitung“ stellt der Menschenrechtsexperte der Universität Wien zur Diskussion über eine im Regierungsprogramm vorgesehene Sicherungshaft fest, die Regierung habe hier die Umsetzung der „EU-Aufnahmerichtlinie“ im Auge. Konkret dürfte es um den Artikel 8, Absatz 3(e) gehen, wonach Asylsuchende in Haft genommen werden können, „wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist“.

Dies ist laut Nowak seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 in Form der Schubhaft umgesetzt. Konkret heißt es im Gesetz: „Die Anordnung der Schubhaft (…) soll demnach möglich sein, wenn (…) vom Aufenthalt des Fremden eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht.“

So sei laut Nowak aber nur vorzugehen, wenn die Abschiebung einer Person beabsichtigt ist oder ein Verfahren gegen sie läuft. Der Europäische Gerichtshof habe in einem Verfahren gegen die Niederlande 2016 festgestellt, dass eine Haft nach der EU-Aufnahmerichtlinie nur möglich sei, wenn ein Ausweisungsverfahren im Gange ist, sagt Nowak. „Es gibt keinen Grund, darüber hinaus zu gehen.“

Der türkische Asylwerber in Dornbirn hätte nach geltendem Recht festgenommen werden können. Die Regelungen in anderen EU-Ländern hießen zwar anders, aber sie entsprechen inhaltlich einer Schubhaft, so Nowak.

Keine Präventivhaft außerhalb der Schubhaft

Außerhalb der Schubhaft gebe es keine Präventivhaft, die verfassungskonform wäre, sagt Nowak. Ausnahmen seien die Verwahrungs- und Untersuchungshaft nach Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diese Varianten seien nur möglich, wenn die Person verdächtig ist, bereits eine strafbare Handlung begangen zu haben, oder um die Person daran zu hindern, eine solche zu begehen. Die Haft müsse in unmittelbaren Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung stehen. „Menschen in eine Sicherungshaft zu stecken und nicht auf die Strafrechtsschiene zu bringen, die also nur gefährlich erscheinen, das widerspricht nicht nur der Menschenrechtskonvention, sondern auch dem Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit“, sagt Nowak. Das sei man aus Diktaturen gewöhnt, nicht aber von demokratischen Verfassungsstaaten wie Österreich.

Für eine reine Präventivhaft müsste nicht nur die persönliche Freiheit in der Verfassung geändert werden, sondern auch die Europäische Menschenrechtskonvention. „Das geht aber nicht, das ist ein völkerrechtlicher Vertrag.“ Da müsste Österreich, wie Kickl es wollte, aus der Konvention austreten – und dann aus dem Europarat und der EU. Ein Bestreben von Türkis-Grün, die Verfassung dahingehend zu ändern, erkennt Nowak nicht.

Hier den Beitrag in der Wiener Zeitung lesen …

Siehe dazu auch: Interview mit Sabine Matejka über die Sicherungshaft in der ZIB 2

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