VwGH Judikatur/Verfahrensrecht: Verfahrenshilfe hat im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten  „Ausnahmecharakter“ 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 11.09.2019, Ro 2018/08/0008, ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, in welchen Fällen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichte Verfahrenshilfe gewährt werden kann.

Nach umfangreicher Darstellung der Rechtslage nach dem Unionsrecht, der EMRK und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass der  Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten  bloß Ausnahmecharakter zukommt.

Verwaltungsgerichte haben den Sachverhalt von Amtswegen zu ermitteln

Begründet wird dies vom Gerichtshof im Wesentlichen mit dem Amtswegigkeitsprinzip, welches -anders als im Verfahren vor den Zivilgerichten – im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Anwendung findet.

Das Verwaltungsgericht hat damit von Amts wegen – abhängig vom Parteivorbringen und von den Parteianträgen – den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Dabei hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen.

Über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge darf sich das Verwaltungsgericht nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Das Verwaltungsgericht hat freilich die Partei eines Verfahrens, wenn sie nicht nur ganz allgemein gehaltene, sondern einigermaßen  konkrete sachbezogene Behauptungen aufgestellt hat, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, vorerst zu einer Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens sowie zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die dem Verwaltungsgericht nach allfälligen weiteren Ermittlungen die Beurteilung des Vorbringens ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtkundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und dem Amtswegigkeitsprinzip erscheint für den Gerichtshof – auch  im Hinblick auf den Regelungszweck des § 8d VwGVG – eine sehr restriktive Handhabung der Verfahrenshilfe gerechtfertigt.

Beschränkung auf bestimmte Verfahrenshandlungen zulässig

Darüber hinaus muß nach diesem Erkenntnis die Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer nicht zwingend für das gesamte Verfahren des Verwaltungsgerichtes erfolgen, sondern  kann auch nur auf einzelne Abschnitte des Verfahrens bzw. einzelne Verfahrenshandlungen – etwa die Abfassung und Einbringung der Beschwerde oder die Vertretung in der Verhandlung – beschränkt werden.

Hier geht’s zum Erkenntnis Zl. Ro 2018/08/0008…

 

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